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nnz-Forum: Blitz statt Astschere

Montag, 02. Juni 2014, 12:58 Uhr
Wer ist nicht schon mal in der Leimbacher Straße in Nordhausen zu schnell gefahren? Nahezu wohl jeder. Doch ein geblitzter Leser der nnz wollte es genauer wissen und schildert seine Erfahrungen im Forum dieser Zeitung...


Vor zwei Wochen bin ich in der Leimbacher Straße in Nordhausen von den Mitarbeitern vom Ordnungsamt Nordhausen geblitzt worden. Mir wurde vorgeworfen die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h überschritten zu haben.

Da es sich nur um eine geringfügige Überschreitung handelte bezahlte ich die 15 Euro Verwarnungsgeld. An ein Schild mit einer entsprechenden Information zur Einschränkung der Geschwindigkeit konnte ich mich jedoch nicht erinnern. Solche Verwarnungen werden allerdings nicht ohne Grund verschickt. Also wird alles seine Richtigkeit gehabt haben und ich fand mich mit dem Knöllchen ab.

In der Zwischenzeit habe ich den Ort der Geschwindigkeitsmessung besichtigt und machte dabei Entdeckungen, die einige Fragen aufwerfen. Sicher sind viele Autofahrer davon betroffen. Die Leser der nnz können sich dann selbst ein Urteil über die geschilderten Vorgänge machen. Eventuell fehlt mir ja im Moment der klare Blick dafür.

Verdecktes Schild (Foto: privat) Verdecktes Schild (Foto: privat)

An der Stelle wo die Geschwindigkeitsmessung stattfand, steht tatsächlich ein Schild. Wegen dem Schulweg sind hier werktags von 7-16 Uhr höchstens 30 km/h erlaubt. Das macht Sinn und dient der Sicherheit unserer Kinder. Die Frage ist: Warum ist dieses wichtige Schild dann so im Dickicht am Straßenrand verborgen?

Verdecktes Schild (Foto: privat) Verdecktes Schild (Foto: privat)

Wäre es nicht besser vor einer Geschwindigkeitsmessung das Schild mit den wichtigen Angaben so freizulegen, dass Autofahrer auch eine Chance haben die geforderte Geschwindigkeit einzuhalten? Es ist im Vorbeifahren nur sehr kurz und bei Gegenlicht am Morgen gar nicht zu erkennen. Das würde die Sicherheit an dieser Stelle erheblich verbessern und ist einfacher als der hohe technische und personelle Aufwand einer Geschwindigkeitskontrolle. Es wird lediglich eine Astschere und eine Säge benötigt.

Warum gestaltet man die Beschilderung nicht so wie aus Richtung Leimbach? Hier gibt es sogar zwei Schilder, die gut sichtbar auf den Schulweg aufmerksam machen. In Höhe der Conrad-Frohmann-Straße steht bereits ein ungenutzter Mast an dem man ohne großen Aufwand so ein zusätzliches Schild befestigen könnte.

Warum wird die ordnungsgemäße Beschilderung nicht vor einer Messung kontrolliert? Dann würden solche Mängel auffallen und könnten abgestellt werden.
Warum werden die Autofahrer für diesen Mangel bestraft, müsste es nicht andersherum sein? Schließlich bezahlen sie ja dafür KFZ Steuer und haben deshalb ein Recht darauf, dass die Straßen und die Beschilderung in Ordnung gehalten werden.

Laut Physikalisch Technischer Bundesanstalt ist der verwendete Einseitensensor als standartisiertes Messverfahren zugelassen. Das gilt jedoch nur, wenn das Gerät durch besonders geschultes Bedienungspersonal bedient wird, das Gerät in geeichtem Zustand ist und gemäß der mitgelieferten Bedienungsanleitung verwendet wird. Wie sichert die Stadt Nordhausen die Qualität ihrer Überwachungsmaßnahmen im öffentlichen Verkehrsraum ab? Welche besondere Qualifizierung haben die eingesetzten Mitarbeiter?

Messpunkt 1 (Foto: privat) Messpunkt 1 (Foto: privat)

Von Gutachtern und Gerichten wird oft darauf hingewiesen, dass in der Bedienungsanleitung eine ortsfeste Fotolinie gefordert wird. In der Leimbacher Straße konnten keine entsprechenden Markierungen am Straßenrand gefunden werden. Wie wird das in Nordhausen gelöst?

Messpunkt 2 (Foto: privat) Messpunkt 2 (Foto: privat)

Darf der Einseitensensor laut Bedienungsanleitung während der Messung der direkten Sonneneinstrahlung ausgesetzt werden? Können dadurch die Messwerte beeinflusst werden? Da es sich zum Teil um ein optisches Verfahren handelt ist das anzunehmen. Es wäre deshalb schön, wenn das Ordnungsamt mal erläutern würde, wie die Einsatzbedingungen und die Funktionsweise dieses Gerätes sind.

Warum werden den Beschuldigten keine Fotos zur Verfügung gestellt, welche das überwachte Fahrzeug innerhalb der Messanordnung darstellen? Damit wären die erhobenen Vorwürfe von den Beschuldigten auch nachvollziehbar. Das mitgelieferte Foto zeigt lediglich ein schönes Seitenprofil vom Beschuldigten und das dieser in einem Auto sitzt. Soweit ich weiß ist das nicht strafbar.

Sollte in der Leimbacher Straße eine mangelhafte Beschilderung vorliegen und diese der Grund für die Geschwindigkeitsübertretungen sein, werden dann die bereits gezahlten Verwarn- und Bußgelder an die Betroffenen (die sich hier an die 50 km/h gehalten haben) zurückgezahlt?

Und hier noch etwas Interessantes zum Schluss: Laut der VUT Sachverständigengesellschaft zur Überprüfung behördlicher Messergebnisse waren von den 14783 in Deutschland überprüften Verkehrs- und Ordnungswidrigkeiten in den Jahren 2007 bis 2013 nur 6505 Fälle (44%) ohne Beanstandung. Das bedeutet: über die Hälfte der Fälle hatten geringe bis schwere Mängel. Das ist eine beachtliche Zahl und Grund genug um die täglichen Messungen in Nordhausen mal kritisch zu hinterfragen.

Unter www.vutonline.de werden dem interessierten Leser in der Rubrik Leistungen/Aktuelle Downloads die komplette Statistik der Überwachungsfehler, interessante Einblicke in die Arbeitsweise der Behörden und „Das standartisierte Messverfahren“ anhand des in Nordhausen verwendeten Einseitensensors erläutert.

Da mir das Ordnungsamt weder ein vernünftiges Beweisfoto noch die Namen der Zeugen genannt hat, möchte ich (bei so viel Transparenz) auch lieber anonym bleiben.
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Autor: red

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