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Reise zu den Digedags

Dienstag, 17. April 2012, 06:48 Uhr
Mitglieder des Nordhäuser Geschichts- und Altertumsvereins setzten sich am vergangenen Samstag in den Zug und fuhren nach Leipzig. Ihr Ziel war das Zeitgeschichtliche Forum in der Grimmaischen Straße 6. Da ist seit 17. Februar eine spektakuläre Ausstellung zu sehen. nnz-Autor Hans-Georg Backhaus schildert mit einem Klick auf „mehr“ seine Eindrücke...

Zu Besuch bei den Digedags (Foto: privat) Zu Besuch bei den Digedags (Foto: privat)

Es gleicht einem pressegeschichtlichen Wunder, was im Dezember 1955 in der damaligen DDR geschah und über 20 Jahre andauerte: Wie aus heiterem Himmel erschien in der ansonsten recht tristen Presselandschaft eine Bilderzeitschrift. Es war die Geburtsstunde des MOSAIK. Und sein Schöpfer hieß Johannes Hegenbarth, der fortan unter den Namen Hannes Hegen diese Publikation maßgeblich beeinflusste. Die drei von ihm erdachten Hauptfiguren des Heftes Dig, Dag und Digedag eroberten in kürzester Zeit die Herzen der Kinder und Jugendlichen im östlichen Teil Deutschlands.

Doch die Zeitschrift hatte nicht nur Liebhaber. Sie war zur damaligen Zeit großen Anfeindungen ausgesetzt. In Ost- wie auch in Westdeutschland fanden in den 1950er Jahren regelrechte Medienkampagnen gegen Comic-Hefte statt, die hüben wie drüben als „Schund- und Schmutzliteratur“ bezeichnet wurden. In Westdeutschland wurden in jenen Jahren sogar traditionelle Johannesfeuer dazu missbraucht, um Comics zu verbrennen. Doch der Siegeszug der bunten Bilderhefte war nicht mehr aufzuhalten – und das galt für die alte BRD wie für die DDR. Hannes Hegen setzte 1955 seinen Widersachern entgegen: „Ich will (...) mit den farbenfrohen Bilderfolgen eine heitere und auch belehrende Unterhaltung für unsere Jugend schaffen.“

Urformen der Digedags erschienen übrigens bereits 1952 in der Neuen Berliner Illustrierten (NBI). Sie ähnelten seinem „Rumpelmänchen“, das in der DDR als Symbol und Logo für die staatlichen SERO - Sammelstellen diente. Hegen hatte in kürzester Zeit äußerst talentierte Mitstreiter um sich geschart, die zunächst vierteljährlich, ab Mitte des Jahres 1956 bis 1975 monatlich ein 24 Seiten umfassendes Bilderheft produzierten, das schlichtweg bunt, lustig, lehrreich und spannend, aber kaum politisch daher kam.

Der enorme Erfolg des MOSAIK von HANNES Hegen begründet sich zum einen in dem Umstand, dass das es eine Art Gegenpol zu den westlichen Comic-Heften bildete und zum anderen beträchtliche finanzielle Gewinne den der FDJ gehörenden Verlagen Neues Leben und ab Ende 1959 Junge Welt einbrachte. Und auch dies darf nicht übersehen werden: Beide deutsche Staaten trennte ab 1961 eine fast unüberwindbare Grenze. Mit den liebenswerten Kobolden Dig, Dag und Digedag aber konnten die Kinder und Jugendlichen der DDR ungehindert die verschiedensten Kontinente bereisen und sogar in den Weltraum fliegen und auf fernen Planeten die tollsten Abenteuer erleben. Hegen sicherte mit seinem Kollektiv an Textern und Grafikern den Fortbestand des MOSAIK auch dadurch, dass er seinen Lesern auf unterhaltsame Weise umfassende Geschichts-, Geografie- und Physik-Kenntnisse vermittelte und sie gemeinsam mit den Digedags am Eintreten für Gerechtigkeit teilhaben ließ.

Dies alles und noch vielmehr – vor allem auch Hintergründiges und bisher unveröffentlichte Zeichnungen, Skizzen und Modelle – ist in der Ausstellung zu lesen und zu bestaunen. 2009 übergab Johannes Hegenbarth dem Zeitgeschichtlichen Forum Leipzig – eine Einrichtung der Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland – sein gesamtes Archiv. Eine Auswahl daraus dient als Gerüst für diese Präsentation um die Geschichte des MOSAIK.

Hegenbarth wohnte von Januar bis Juli 1946 im Ilfelder Ortsteil Netzkater. Er erholt sich gegenwärtig von einer Krankheit und begeht am 16. Mai seinen 87. Geburtstag. Die Schau über sein Lebenswerk ist noch bis zum 13. Mai zu sehen und zwar jeweils dienstags bis freitags von 9 bis 18 Uhr, samstags und sonntags von 10 bis 18 Uhr. Der Eintritt ist frei.
Hans-Georg Backhaus, Nordhausen
Autor: nnz

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