Mo, 10:30 Uhr
10.02.2025
nnz-Kandidaten Interview
Wir brauchen Veränderung
Der Nordhäuser Marcel Hardrath steht für die FDP auf dem Wahlzettel zur Bundestagswahl in Nordthüringen. Die nnz hat mit dem Kandidaten über Rezepte für die Zukunft, die Schuldenbremse und die Bilanz der Ampel gesprochen...
nnz: Herr Hardrath, schafft die FDP die Fünf-Prozent Hürde?
Marcel Hardrath: Selbstverständlich! Ich denke wir werden an die sieben Prozentpunkte herankommen.
nnz: Warum wollen Sie in den Bundestag einziehen?
Hardrath: Weil ich etwas verändern möchte für die Region und weil wir Veränderung dringend nötig haben. Nordthüringen ist ein sehr großer Wahlkreis, aber bis 2042 werden wir knapp 18 Prozent unserer Bevölkerung verlieren. Das ist das größte Problem für den ländlichen Raum. Es ist schon jetzt schwer, einen Handwerker zu bekommen und wir stehen erst am Anfang der Entwicklung. Wir werden in Zukunft weniger junge Menschen und mehr Rentner haben, die auch etwas zum leben haben wollen. Dieser Herausforderung muss man begegnen.
nnz: Und was wäre ihr Rezept?
Hardrath: Wir müssen es den Jüngeren und denen, die hier für Leben und wirtschaftliche Aktivität sorgen, einfacher machen. Das fängt beim Bürokratieabbau an. Es gibt viele Stellschrauben an denen man drehen kann, um den Unternehmen wieder die Möglichkeit zu geben, sich auf ihre Kernaufgaben zu konzentrieren. Die Arbeitszeiterfassung muss nicht über drei Datenbanken laufen, wenn wir damit anfangen, Wochenarbeitszeit neu zu denken. Mit dem Abbau der Bürokratie einher geht der Ausbau der Digitalisierung, die der Staat bisher nicht grundlegend hinbekommen hat. Beim Online-Zugangsgesetz hat sich nichts getan und an anderer Stelle stehen uns föderale Strukturen im Weg. Warum ist ein Antrag auf Wohngeld von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich, wenn es auch einheitlich und digital gehen würde? Daran kann man von Berlin aus etwas ändern.
nnz: Das löst aber keineswegs das direkte Problem der sinkenden Bevölkerungszahl in den nächsten Jahren.
Hardrath: Die Kinder, die hier vor 18 Jahren nicht geboren wurden, kann man jetzt nicht aus dem Hut zaubern. Das Problem fängt heute bei den fehlenden Facharbeitern an, kommt bald bei den Kindergärten und ein paar Jahre später bei den Schulen an und von da aus geht es weiter in die Gesellschaft und den Alltag hinein. Will man das verhindern, muss man die Region attraktiv machen und Leute herholen. Und an dem Punkt ist Weltoffenheit Teil des Rezeptes. Einfach zu sagen, wer fremd ist den wollen wir hier nicht haben, wird nicht funktionieren. Und wir müssen flexibler werden. Im Moment beträgt die Wartezeit für einen Sprachkurs rund 14 Monate. An sich ist das schon Staatsversagen. Wenn wir aber das Recht auf Arbeit ein wenig anpassen würden, bräuchten wir die Vorgabe nicht in allen Bereichen, in denen wir Arbeitskräfte dringend suchen.
nnz: Warum treten Sie für die FDP an?
Hardrath: Der FDP steht für Freiheit, Verantwortung und den Willen der Gemeinschaft zu helfen ohne ihr zu viele Vorschriften zu machen. Die Freiheit endet erst da, wo die Freiheit eines anderen beginnt. Das sicherzustellen, dafür ist der Staat da.
nnz: Die scheidende Regierungskoalition kalkuliert vor die Wand zu fahren und mit die offenen Feldschlacht zu planen zeugt von Verantwortung?
Hardrath: Der Bruch mit der Koalition habe ich als Befreiung empfunden. Scholz konnte nicht ausgleichen und man war nicht gewillt, den Koalitionsvertrag zu ändern, was man spätestens mit Beginn des Ukraine-Krieges hätte tun müssen. Der grundlegende Ansatz der Koalition war gut, aber die Gegenwart hat das alles überholt. Man hätte da neu justieren müssen. Überlegungen zum Ende der Koalition hatte alle Beteiligten aber man hat so lange daran festgehalten bis es zu spät war und nur an die eigenen Pfründe gedacht. Insofern war der Bruch nur konsequent und eine gute Entscheidung, wobei die Art und Weise sicher nicht die Beste war.
nnz: Wo sehen Sie ihre Partei in der nächsten Legislatur? Zurück in die Opposition oder weiter am Ruder?
Hardrath: Natürlich regieren, was wir im Koalitionsvertrag stehen hatten muss immer noch umgesetzt werden. Am liebsten zusammen mit der CDU. Die SPD würde nur in Fragen kommen, wenn Scholz nichts mehr zu melden hat.
nnz: Gesetzt den Fall das würde so kommen, worauf müsste sich die neue Regierung konzentrieren?
Hardrath: Wir brauchen einen stärkeren Fokus auf Forschung und Entwicklung. Man hat 16 Jahre lang fast ausschließlich am Bestehenden festgehalten während die anderen weiter gegangen sind und mehr investiert haben…
nnz: Also Schluss mit der Schuldenbremse und mehr Investitionen?
Hardrath: Die Schuldenbremse ist nichts Schlechtes und vor allem dazu da, damit der Staat seine Konsumausgaben nicht auf Pump finanziert, sondern investiert. Wir haben Geld, wir geben es nur für die falschen Sachen aus, gerade in der Forschung. Geld das wir für Professorenstellen in Genderstudies oder ähnlichem ausgeben ließe sich anderswo sinnvoller einsetzen. Investiert werden muss in die Infrastruktur, die gehört in Staatshand.
nnz: Die Bedeutung der sozialen Medien hat auch im Wahlkampf rasant zugenommen, die Sorge vor Falschinformation und gezielter Manipulation ist groß. Sollte der Staat hier regulierend eingreifen?
Hardrath: Nein, das macht keinen Sinn. Ein Faktencheck ist am Ende auch eine Bewertung die zwingend nicht objektiv sein kann. Jeder sollte diskriminierungsfrei sagen können, was er meint. Es ist die Aufgabe eines aufgeklärten Bürgertums festzustellen, was wahr ist und was nicht. Eingreifen sollte man da nicht, das müsste allerdings auch für die Betreiber der Plattformen gelten.
nnz: Braucht Deutschland die Europäische Union?
Hardrath: Natürlich. Ein schwaches und ungeeintes Europa gereicht uns zum Nachteil. Einheitliche Rechtsrahmen, Verbraucherschutz und der gemeinsame Markt sind große Errungenschaften die man nicht leichtfertig aufgeben kann. Nachholbedarf hat die EU in Sachen Protektionismus, das ist mitunter ein zweischneidiges Schwert. Aber daran kann man gemeinsam arbeiten und gemeinsam arbeiten müssen wir. Nationale Alleingänge führen in unnötige Konflikte, das hat die Vergangenheit mehr als deutlich gezeigt. Konkurrieren sollten Unternehmen, nicht Nationen.
nnz: Wie schätzen Sie ihre Chancen ein, in den Bundestag einzuziehen?
Hardrath: Es wird schwierig. Aber ich bin guten Mutes.
nnz: Herr Hardrath, wir danken für das Gespräch
Das Interview führte Angelo Glashagel
Autor: rednnz: Herr Hardrath, schafft die FDP die Fünf-Prozent Hürde?
Marcel Hardrath: Selbstverständlich! Ich denke wir werden an die sieben Prozentpunkte herankommen.
nnz: Warum wollen Sie in den Bundestag einziehen?
Hardrath: Weil ich etwas verändern möchte für die Region und weil wir Veränderung dringend nötig haben. Nordthüringen ist ein sehr großer Wahlkreis, aber bis 2042 werden wir knapp 18 Prozent unserer Bevölkerung verlieren. Das ist das größte Problem für den ländlichen Raum. Es ist schon jetzt schwer, einen Handwerker zu bekommen und wir stehen erst am Anfang der Entwicklung. Wir werden in Zukunft weniger junge Menschen und mehr Rentner haben, die auch etwas zum leben haben wollen. Dieser Herausforderung muss man begegnen.
nnz: Und was wäre ihr Rezept?
Hardrath: Wir müssen es den Jüngeren und denen, die hier für Leben und wirtschaftliche Aktivität sorgen, einfacher machen. Das fängt beim Bürokratieabbau an. Es gibt viele Stellschrauben an denen man drehen kann, um den Unternehmen wieder die Möglichkeit zu geben, sich auf ihre Kernaufgaben zu konzentrieren. Die Arbeitszeiterfassung muss nicht über drei Datenbanken laufen, wenn wir damit anfangen, Wochenarbeitszeit neu zu denken. Mit dem Abbau der Bürokratie einher geht der Ausbau der Digitalisierung, die der Staat bisher nicht grundlegend hinbekommen hat. Beim Online-Zugangsgesetz hat sich nichts getan und an anderer Stelle stehen uns föderale Strukturen im Weg. Warum ist ein Antrag auf Wohngeld von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich, wenn es auch einheitlich und digital gehen würde? Daran kann man von Berlin aus etwas ändern.
nnz: Das löst aber keineswegs das direkte Problem der sinkenden Bevölkerungszahl in den nächsten Jahren.
Hardrath: Die Kinder, die hier vor 18 Jahren nicht geboren wurden, kann man jetzt nicht aus dem Hut zaubern. Das Problem fängt heute bei den fehlenden Facharbeitern an, kommt bald bei den Kindergärten und ein paar Jahre später bei den Schulen an und von da aus geht es weiter in die Gesellschaft und den Alltag hinein. Will man das verhindern, muss man die Region attraktiv machen und Leute herholen. Und an dem Punkt ist Weltoffenheit Teil des Rezeptes. Einfach zu sagen, wer fremd ist den wollen wir hier nicht haben, wird nicht funktionieren. Und wir müssen flexibler werden. Im Moment beträgt die Wartezeit für einen Sprachkurs rund 14 Monate. An sich ist das schon Staatsversagen. Wenn wir aber das Recht auf Arbeit ein wenig anpassen würden, bräuchten wir die Vorgabe nicht in allen Bereichen, in denen wir Arbeitskräfte dringend suchen.
nnz: Warum treten Sie für die FDP an?
Hardrath: Der FDP steht für Freiheit, Verantwortung und den Willen der Gemeinschaft zu helfen ohne ihr zu viele Vorschriften zu machen. Die Freiheit endet erst da, wo die Freiheit eines anderen beginnt. Das sicherzustellen, dafür ist der Staat da.
nnz: Die scheidende Regierungskoalition kalkuliert vor die Wand zu fahren und mit die offenen Feldschlacht zu planen zeugt von Verantwortung?
Hardrath: Der Bruch mit der Koalition habe ich als Befreiung empfunden. Scholz konnte nicht ausgleichen und man war nicht gewillt, den Koalitionsvertrag zu ändern, was man spätestens mit Beginn des Ukraine-Krieges hätte tun müssen. Der grundlegende Ansatz der Koalition war gut, aber die Gegenwart hat das alles überholt. Man hätte da neu justieren müssen. Überlegungen zum Ende der Koalition hatte alle Beteiligten aber man hat so lange daran festgehalten bis es zu spät war und nur an die eigenen Pfründe gedacht. Insofern war der Bruch nur konsequent und eine gute Entscheidung, wobei die Art und Weise sicher nicht die Beste war.
nnz: Wo sehen Sie ihre Partei in der nächsten Legislatur? Zurück in die Opposition oder weiter am Ruder?
Hardrath: Natürlich regieren, was wir im Koalitionsvertrag stehen hatten muss immer noch umgesetzt werden. Am liebsten zusammen mit der CDU. Die SPD würde nur in Fragen kommen, wenn Scholz nichts mehr zu melden hat.
nnz: Gesetzt den Fall das würde so kommen, worauf müsste sich die neue Regierung konzentrieren?
Hardrath: Wir brauchen einen stärkeren Fokus auf Forschung und Entwicklung. Man hat 16 Jahre lang fast ausschließlich am Bestehenden festgehalten während die anderen weiter gegangen sind und mehr investiert haben…
nnz: Also Schluss mit der Schuldenbremse und mehr Investitionen?
Hardrath: Die Schuldenbremse ist nichts Schlechtes und vor allem dazu da, damit der Staat seine Konsumausgaben nicht auf Pump finanziert, sondern investiert. Wir haben Geld, wir geben es nur für die falschen Sachen aus, gerade in der Forschung. Geld das wir für Professorenstellen in Genderstudies oder ähnlichem ausgeben ließe sich anderswo sinnvoller einsetzen. Investiert werden muss in die Infrastruktur, die gehört in Staatshand.
nnz: Die Bedeutung der sozialen Medien hat auch im Wahlkampf rasant zugenommen, die Sorge vor Falschinformation und gezielter Manipulation ist groß. Sollte der Staat hier regulierend eingreifen?
Hardrath: Nein, das macht keinen Sinn. Ein Faktencheck ist am Ende auch eine Bewertung die zwingend nicht objektiv sein kann. Jeder sollte diskriminierungsfrei sagen können, was er meint. Es ist die Aufgabe eines aufgeklärten Bürgertums festzustellen, was wahr ist und was nicht. Eingreifen sollte man da nicht, das müsste allerdings auch für die Betreiber der Plattformen gelten.
nnz: Braucht Deutschland die Europäische Union?
Hardrath: Natürlich. Ein schwaches und ungeeintes Europa gereicht uns zum Nachteil. Einheitliche Rechtsrahmen, Verbraucherschutz und der gemeinsame Markt sind große Errungenschaften die man nicht leichtfertig aufgeben kann. Nachholbedarf hat die EU in Sachen Protektionismus, das ist mitunter ein zweischneidiges Schwert. Aber daran kann man gemeinsam arbeiten und gemeinsam arbeiten müssen wir. Nationale Alleingänge führen in unnötige Konflikte, das hat die Vergangenheit mehr als deutlich gezeigt. Konkurrieren sollten Unternehmen, nicht Nationen.
nnz: Wie schätzen Sie ihre Chancen ein, in den Bundestag einzuziehen?
Hardrath: Es wird schwierig. Aber ich bin guten Mutes.
nnz: Herr Hardrath, wir danken für das Gespräch
Das Interview führte Angelo Glashagel