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Fr, 18:20 Uhr
26.01.2018
Nordhäuser Historikerin veröffentlicht Dissertation

Die Integration der Nordhäuser Juden

In der Gegenwart wie auch in der Vergangenheit ist die Frage nach den Möglichkeiten, Chancen und Grenzen der Integration von Minderheiten im Fokus von Politik und Gesellschaft. Im 19. Jahrhundert bewegte die Integration der nach Nordhausen zurückgekehrten Juden die Gemüter. Die Nordhäuser Historikerin Marie-Luis Zahradnik ist tief in die Thematik eingetaucht, demnächst erscheint ihre Dissertation...

Mit den Chancen und Grenzen der Integration der Nordhäuser Juden im 19. Jahrhundert, befasst sich die von der Friedrich-Schiller-Universität Jena angenommene Dissertation von Marie-Luis Zahradnik, die in dieser Woche als Band 37 der Schriftenreihe der Friedrich-Christian-Lesser-Stiftung im Buchhandel erschienen ist.

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Durch sie wird die Forschung zur Integration der Juden im 19. Jahrhundert um eine lokale Studie ergänzt. Mit Nordhausen hat die Forscherin eine Stadt gewählt, in der der Umbruch in der Judenpolitik am Anfang des 19. Jahrhunderts besonders groß war: In der Zeit vor dem 1807 entstandenen Königreich Westphalen, in dem die Juden den anderen Untertanen rechtlich gleichgestellt wurden, gab es in der ehemaligen freien Reichsstadt eine so diskriminierende Judenpolitik, dass das Wohnen von Juden dort gänzlich ausgeschlossen war.

Marie Luis Zahradnik hat ihre Disseration zur Integration der Nordhäuser Juden im 19. Jahrhundert verfasst (Foto: Friedrich-Christian-Lesser-Stiftung) Marie Luis Zahradnik hat ihre Disseration zur Integration der Nordhäuser Juden im 19. Jahrhundert verfasst (Foto: Friedrich-Christian-Lesser-Stiftung)

Die Arbeit befasst sich mit der Integration der seit 1808 in die Stadt gezogenen Juden, die mit der Wiederinbesitznahme durch Preußen zwar einen Teil ihrer Rechte wieder einbüßten, aber deutlich bessergestellt waren als in den anderen, nicht vormals westphälischen Landesteilen Preußens. Anhand erhalten gebliebener Archivdokumente konnte gezeigt werden, dass die Niederlassungs-, Gewerbe- und Handelsfreiheit der Juden zunächst auf Widerstand im Nordhäuser Bürgertum stieß. Ihre Ablehnung aus Gründen des „Nahrungsschutzes“ nahm mit der Zeit jedoch ab.

Wie die Untersuchung der Bevölkerungsentwicklung anhand von Seelenlisten und Daten amtlicher Statistiken zeigt, wuchs die jüdische Bevölkerung in Nordhausen bis in die 1880er Jahre nahezu beständig, sodass die Synagogengemeinde in Nordhausen zur größten im preußischen Regierungsbezirk Erfurt wurde. Trotz der Konfrontation mit manifestierten Ansichten der christlichen Umwelt erfuhren die Juden in Nordhausen einen sozialen Aufstieg. Wie die Analysen der Seelenlisten und von Adressbüchern zeigen, etablierten sich im Laufe des Jahrhunderts rund ein Fünftel der jüdischen Geschäftsleute als Fabrikanten.

Im Übrigen verblieben sie jedoch im Wesentlichen in den traditionell jüdischen Berufen, betrieben also Handel und Geldgeschäfte. Da der Handel in Nordhausen schon immer bedeutsam war und sich die Stadt wirtschaftlich sehr gut entwickelte, konnten sich die Juden hier wirtschaftlich gut einfinden. Die wenigen, noch vorhandenen Archivdokumente der jüdischen Gemeinde in Nordhausen und auch Zeitungsberichte über ihre Aktivitäten lassen den Schluss zu, dass es sich um eine Reformgemeinde handelte. Die Lockerung der religiösen Tradition war mit einer Assimilation an das christliche Umfeld verbunden.

Die Wohlfahrtspflege der jüdischen Gemeinde war gut aufgestellt und zunehmend professionalisiert: Die jüdischen Vereine deckten ein breites Aufgabenspektrum ab und reagierten auf die Anforderungen der Zeit. Zudem kann eine überkonfessionelle Vereinsarbeit belegt werden, die die Integration der Juden in Nordhausen unterstützte. Die Untersuchung zeigt, dass einerseits die Juden in Nordhausen in kultureller und sozialer Hinsicht einen Verbürgerlichungs- und Säkularisierungsprozess vollzogen, der ihnen die Anpassung als Staatsbürger jüdischen Glaubens an die restliche Gesellschaft ermöglichte, und dass sich andererseits die Einstellung des christlichen, städtischen Bürgertums gegenüber den Juden im Zuge des aufkommenden Liberalismus wandelte.


Mehr noch gibt die Arbeit die Gelegenheit, in das Leben und Wirken von jüdischen Einwohnern der Stadt Nordhausen weit vor der nationalsozialistischen Machtergreifung einzutauchen. Denn um den Verlust der unwiderruflichen Zerstörung des jüdischen Lebens in der Stadt Nordhausen begreifen zu können, ist es wichtig zu erkennen, was und wieviel durch den nationalsozialistischen Terror verloren gegangen ist.

Das Buch mit dem vollständigen Titel „Vom reichsstädtischen Schutzjuden zum preußischen Staatsbürger jüdischen Glaubens. Chancen und Grenzen der Integration der Nordhäuser Juden im 19. Jahrhundert“ ist für 19,90 Euro im Buchhaus Rose in Nordhausen vorrätig, kann aber auch über jede andere Buchhandlung und direkt bei der Friedrich-Christian-Lesser-Stiftung bestellt werden. ISBN: 978-3-930558-33-9.
Autor: red

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