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Eislaufen auf der Spree

Montag, 04. April 2011, 07:11 Uhr
In der Kunstausstellung „Künstlerinnen und Künstler um Caspar David Friedrich“, die in der Zeit vom 15. Juli bis zum 3. Oktober 2011 im Kunsthaus Meyenburg in Nordhausen besichtigt werden kann und Leihgaben aus mehreren Museen Deutschlands zeigen wird, ist auch ein Gemälde zu sehen, das von dem Landschaftsmaler Wilhelm Eichler stammt. Höchstwahrscheinlich wird es das erste Mal in Nordhausen gezeigt.


Es ist im Besitz der Stiftung Stadtmuseum Berlin, eines Verbundes mehrerer musealer Einrichtungen der Hauptstadt.

Wilhelm Eichler wurde 1806 in Ellrich geboren, zog dann bald mit seinen Eltern nach Nordhausen. Aus seiner Kindheit ist nichts bekannt. Laut des Adressbuches lebte er 1824 am Kornmarkt 12 als Maler. Im Jahr 1830, als er das Ölbild „Schlittschuhbahn auf der Spree neben den Zelten bei Berlin“ schuf, war er 24 Jahre und studierte in Berlin an der Kunstakademie.

Sein Studentenleben war eher dürftig, seine Eltern konnten ihn finanziell kaum unterstützen. Ihm wird aber aus dieser Zeit bescheinigt, dass er über eine gute Portion Humor verfügte. Seine Ausbildung trug Früchte, wie es das reproduzierte Gemälde beweist.

Gemälde (Foto: privat) Gemälde (Foto: privat)
„Schlittschuhbahn auf der Spree neben den Zelten bei Berlin“, 1830 Öl./Lw., 35,3x58 cm, Rahmenmaß: 64x73,5 cm. Stadtmuseum Berlin, Inv. GEM 65/2

Dieses Werk wurde 1958 in dem kleinen Buch: „Theodor Fontane. Sein Leben in Bildern“, Verlag Enzyklopädie, Leipzig, abgebildet. Dass es in der Publikationsreihe „Sein Leben in Bildern“ gedruckt wurde, beweist, dass das Gemälde des Nordhäuser Künstlers durchaus in Berlin im Bewusstsein der Kunstkenner geblieben war, weil es Stimmungsreichtum auszeichnet, malerisches Können beweist und gleichzeitig historischen Wert besitzt, wovon zu berichten sein wird.

Theodor Fontane, in Neuruppin geboren, lebte seit 1833 bei einem Onkel in Berlin und besuchte eine Gewerbeschule. 1836 trat der 16jährige als Lehrling in die Apotheke von Wilhelm Rose in der Spandauer Strasse in Berlin ein.

Eichlers Gemälde hing 1958 im Märkischen Museum in Berlin. Aktuell ist es ausgestellt im Knoblochhaus im Nicolaiviertel, wo man in die Welt des Biedermeier eintauchen kann. Es wird für die Ausstellung „Künstlerinnen und Künstler um Caspar David Friedrich“ restauriert, also in Nordhausen eine besondere Sehenswürdigkeit darstellen.

Das vor allem in Weiß-, Grau- und Braunabstufungen gehaltene Bild strahlt viel Atmosphärisches aus. Man weiß von dem Künstler, dass er für das Malen von Winterlandschaften ein besonderes Faible besaß und seine Gemälde mit solchen Motiven bis nach Amerika gelangten.

Der Wintertag auf Eichlers Gemälde ist recht geeignet, sich schlittschuhlaufend auf der zugefrorenen Spree zu tummeln. Beim Malen seiner eisigen Flusslandschaft steht er auf dem zugefrorenen Gewässer oder auf der Uferpromenade. Eisbrocken und Schneemassen ziehen sich rechts und links einer geglätteten Fläche dahin, die zum Schlittschuhlaufen geeignet ist. Personen mit Reisigbesen sorgen für gute Bedingungen.

Das nutzen mehrere Menschen. Auffällig ist am rechten Bildrand ein Paar. Sie sitzt in einem Stuhlschlitten, den er schiebt. Unweit von ihnen dreht jemand Pirouetten. Einige Menschen stehen am Rand der befahrbaren Fläche. Die Personen staffeln sich in einer Diagonale bis in den Bildmittelgrund, wo der Fluss in einer Rechtsbiegung den Blicken entschwindet.

Das linke Flussufer beginnt mit Häusern, an die sich zahlreicher Baumbestand anschließt, der sich im leichten Bogen über die gesamte Bildbreite hinzieht, gleichsam die Horizontlinie bildend. Diese zeigt etwa in der Bildmitte einen weiteren Gebäudekomplex. Ein typischer wolkenbehangener Winterhimmel schließt die Komposition nach oben ab.

Es ist nicht verwunderlich, dass Wilhelm Eichler für diese gelungene Bildkomposition mit der fein nuancierten stimmungsreichen Farbgebung einen Preis erhielt, als das kleine Ölgemälde 1832 auf der Akademieausstellung in Berlin gezeigt wurde.

Der Titel des Gemäldes, der die Worte „neben den Zelten bei Berlin“ beinhaltet, macht Uneingeweihte stutzig. Den Namen „In den Zelten“ erhielt eine Straße im Tiergarten am 1. Dezember 1832, die dort seit 1820 bebaut wurde, Hier wohnten vor allem begüterte Bürger Berlins, angesehenen Privatpersonen, Beamte, Wissenschaftler und Künstler. Es bot sich ein ziemlich geschlossenes, einheitliches Straßenbild, denn zahlreiche Häuser wurden im Stil der Bauschule von Karl Friedrich Schinkel ( 1700-1800) errichtetet. „In den Zelten“ Nr. 5. lebte die Schriftstellerin Bettina von Arnim (1785–1859) mit ihren drei Töchtern Maximiliane, Armgart und Gisela von 1847 bis 1859.

Den Namen „In den Zelten“ erhielt die Straße nach den im 18. Jahrhundert am Spreeufer im Tiergarten aufgebauten Erfrischungszelten. Diese durften von eingewanderten Hugenotten aufgestellt werden und waren für die Berliner ein beliebtes Ausflugsziel. Die Zelte konnten seit 1786 so nach und nach zu festen Gasthäusern „umgebaut“ werden. So entstanden die gern aufgesuchten Zelten-Lokale. Zerstört wurden sie durch die Bomben des Zweiten Weltkrieges, die ja auch den Tiergarten trafen.

Das Eislaufen auf der Spree hinter den Zelten zählte zu den Wintervergnügungen der Berliner. Den Eisläufern konnte von der offenen Galerie zugesehen werden, so, wie es der Maler Wilhelm Eichler auf seinem Ölbild abgebildet hat. Dieses Gemälde ist für Berlin also auch ein wichtiges Zeitdokument.

Das Thema des Bildes, das Schlittschuhlaufen, entwickelte sich in Berlin seit 1815. Damals wurde auf dem Spreekanal die erste öffentlich betriebene Eisbahn eröffnet. Dann ging es stetig voran. Zu den kleinen Eisbahnen auf den Seen gesellten sich um 1840 sechs große. Man wurde mit Musik unterhalten, Verpflegung und Schlittschuhausleihe waren garantiert. Das waren die Eisbahn am Hamburger Eisenbahnhof, die auf dem Kanal des Köpenicker Feldes, die vor dem Halleschen Tor, die auf dem neuen See Tiergarten, die hinter den Zelten und das Graefesche Etablissement im Tiergarten.

Wie es dort zuging, erfährt man in einem Brief des Prinzen Fritz Wilhelm von Preußen, des späteren Kaiser Friedrich III., aus dem Jahr 1845: „Das Schlittschuhlaufen macht mir jetzt große Freude, da ich gut laufen kann, ich laufe bei der Moabiter Brücke … Dort läuft die höhere Gesellschaft sowie auch meine Verwandten. Selbst Damen versuchen es.“

Eichler fand seinen Standort für die Bildkomposition am Spreeufer nahe des heutigen „Hauses der Kulturen der Welt. Wie kam der in der Kleinstadt Nordhausen am Südharzrand lebende Wilhelm Eichler dazu, in Berlin an der Kunstakademie zu studieren?

Menschliche Figuren zu zeichnen und zu malen und sie in einem ihm bekannten Umfeld agieren zu lassen, war ihm vor seiner Studentenzeit ein Bedürfnis gewesen. Das zeigt ein Bild, das den Ausschlag gab, dass man ihm zu einem Kunststudium riet und er sich auch dazu entschloss: „Der Kornmarkt zu Nordhausen“, Lithographie nach einem Gemälde von 1828, Litho. von Lüthe in Berlin 1832, Druck von Hampe, handcoloriert. In den Kunstsammlungen der Stadt Nordhausen befindet sich eine solche Lithographie.

Kornmarkt (Foto: privat) Kornmarkt (Foto: privat)

Auf diesem lithographierten farbigen Bild, das in Nordhausen sehr begehrt war, weil auf ihm mehrere damals stadtbekannte Personen abgebildet zu sehen sind, erblickt man die am 2. Juli 1828 neu aufgestellte Brunnenfigur eines Neptuns aus Bronze, der das Erstlingswerk des hoffnungsvollen Bildhauers Ernst Rietschel (1804-1861) war. Der Neptunbrunnen steht jetzt in der Promenade. Gestiftet hatte diese Figur ein Bürger Nordhausens, C. Bötticher.

1829 hielt sich der Maler Georg Heinrich Crola, der in Ilsenburg intensiv gezeichnet und gemalt hatte, kurz in Nordhausen auf und traf sich mit „dem Maler Eichler“, wie er in seinen Aufzeichnungen notierte. Crola stammte aus Dresden, wo der romantische Künstler Caspar David Friedrich sein Mentor gewesen war. Wenn Eichler als Künstler also ein Begriff war, bedeutet das, dass er bereits mit mehreren Bildwerken die Aufmerksamkeit auf sich gelenkt hatte.

Auf der Akademieausstellung in Berlin stellte er 1828 vier Bilder aus - das Kloster Huysburg bei Halberstadt, die Ruine Hohnstein bei Neustadt, ein Motiv der Gegend um Nordhausen und ein Bild vom Brocken. Crola kann bei seinem Besuch diese in Berlin ausgestellt gewesenen Gemälde bei dem Maler gesehen haben und vielleicht auch die, die er 1830 in Berlin zeigen würde: ein Porträt, eine Gewitterstimmung an einem Landsee und eine ländliche Gegend bei Moabit.

Nach dem Kunststudium war Wilhelm Eichlers Künstlerleben in Nordhausen ein sehr bescheidenes, so dass ihm „sein Humor ausgetrieben wurde und der Ironie wich“, wie ein Zeitgenosse berichtete. Diese Zeit seines Lebens steht auf einem anderen Blatt.
Heidelorde Kneffel
Autor: nnz

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