nnz-online
Schrankenlos ehrt Integrationslotsen

Weltoffen, solidarisch, dialogisch

Dienstag, 12. Juni 2018, 16:10 Uhr
Integration ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe die nicht allein staatlichen Stellen überlassen werden kann, so sieht man es beim Verein Schrankenlos seit 20 Jahren. In jüngster Zeit waren es vor allem auch die "Integrationslotsen", die diesen Gedanken gelebt haben. Das Programm könnte zum Ende des Jahres auslaufen, Grund genug für den Verein sich noch einmal ausführlich mit den Themen Integration und Rechtsextremismus auseinanderzusetzen...

Schrankenlos ehrt ehrenamtliche Integrationslotsen (Foto: Angelo Glashagel) Schrankenlos ehrt ehrenamtliche Integrationslotsen (Foto: Angelo Glashagel)

Der Verein Schrankenlos gehört nach 20 Jahren immer nicht zu den "großen" sozialen Trägern des Landkreises, aber zu den "kleinen" gehören die Idealisten aus der Barfüßerstraße auch nicht mehr. Die "Mission" hat sich über die Jahre nicht geändert, nur die Umstände. "Wir wollen Begegnungen schaffen, das ist schwer", sagte Geschäftsführerin Stephanie Tiepelmann-Halm, "aber das war es vor 20 Jahren auch schon und wird es auch in Zukunft sein." Die Arbeit des Vereins habe viel mit Idealismus zu tun und mit Berufung, sagte die Vereinsvorsitzende, zwar habe der Verein besonders in den letzten Jahren auch einige hauptamtliche Mitarbeiter gefunden, man lebe aber von den Menschen auf der Straße, den "Idealisten", unabhängig von Hautfarbe und Herkunft.

"Jeder Mensch ist uns wichtig", sagt Tiepelmann-Halm am Mittag in den Räumen des Weltladens und setzt damit einen Endpunkt unter einen Vormittag voller Vorträge und der Eröffnung einer kleinen Fotoausstellung. Nicht viel Pomp, sondern Informatives zur Sache - damit wollte man noch einmal auf die Arbeit der "Integrationslotsen" aufmerksam machen.

Die Lotsen sind Männer und Frauen, Deutsche, Migranten und Flüchtlinge, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, Neuankömmlingen in Nordhausen den Weg in die Gesellschaft etwas einfacher zu machen in dem sie sie begleiten. Niederschwellig soll es sein, es geht um praktische Hilfe beim Erlernen der Sprache, Alltagsbegegnungen, um Unterstützung. Wieviel sie tun und wie weit sie gehen, das entscheidet jeder Lotse selbst.

Statt viel Pomp gab es am Vormittag Vorträge (Foto: Angelo Glashagel) Statt viel Pomp gab es am Vormittag Vorträge (Foto: Angelo Glashagel)

Rund 80 freiwillige, ehrenamtliche Integrationslotsen sind aktuell im Kreis aktiv, berichtet Vanessa Prack. Zusammen mit den Kolleginnen Dagmar Hellwig und Paulin Meder kümmert sich die junge Sozialarbeiterin nicht nur um Flüchtlinge, sondern auch um ihre Ehrenamtlichen.

Ende des Jahres könnte Schluss sein mit dem "Integrationslotsen", der Stiftung Nord-Süd-Brücken, die das Projekt über das Programm "Weltoffen. Solidarisch. Dialogisch" zentral steuert, fehlt bisher grünes Licht aus Berlin ob die "Lotsen" auch im nächsten Jahr gefördert werden.

Schrankenlos versuche Integration auf der Basis von "Wissen und Verständnis" zu schaffen, meint die Stiftung, deren Vertreter Andreas Rosen heute auch im Publikum saß. Wissen, das Vanessa Prack und Paulin Meder auch für ihr Studium nutzen konnten. Beide stellten heute die Ergebnisse ihrer jeweiligen Abschlussarbeiten vor, die sich direkt aus ihrer Arbeit im Verein gespeist haben.

Frau Prack hat die Lebenswirklichkeit vier afghanischer Frauen im Alter zwischen 24 und 32 Jahren in Nordhausen in den Blick genommen. Drei sind verheiratet, eine ledig, zwei beherrschen die Sprache sicher genug um mit ihnen ein Interview auf Deutsch führen zu können, bei den anderen beiden sei eine Übersetzung noch nötig gewesen, berichtet Prack. In ihrer Arbeit zeigt sie zentrale Probleme der Frauen auf, wie etwa der Zugang zu Sprachkursen bei ungeklärtem Aufenthaltsstatus, die Wohnsituation, die Möglichkeit Therapien in Anspruch zu nehmen und Medikamente kaufen zu können oder die Auseinandersetzung mit Anfeindungen und Rassismus.

Paulin Meder setzte sich in ihrer Masterarbeit mit der Entstehung und Aufrechterhaltung von Rechtsextremismus auseinander und stellte im Weltladen ein grundsätzliches Modell sowie mögliche Arten vor, wie dem begegnet werden kann.

Rechtsextremismus baue vor allem auf drei Säulen auf: Vorurteile, Aggression und Autoritarismus. Die Grundlagen allein müssen nicht zwangsweise in das rechtsextreme Spektrum führen, es braucht fruchtbaren Boden, auf den der Keim fallen kann. Meder identifiziert in ihrer Methodik acht solcher Faktoren, darunter politische Unzufriedenheit, der (drohende) Verlust von Privilegien, antidemokratische Diskurse und relative Deprivation, ein empfundener Mangel.

Aufrechterhalten würden extremistische Einstellungen wiederrum durch Kompensationsstrategien, die rechtsextreme Einstellung hat einen "Nutzen" für die Person, Gewalt und autoritäre Ideologie vermittelten ein Gefühl von Stärke und Sicherheit.

Begnungen schaffen - am Ende wurde gemeinsam gespeist (Foto: Angelo Glashagel) Begnungen schaffen - am Ende wurde gemeinsam gespeist (Foto: Angelo Glashagel)

Begegnen könne man dem mit mehr Bildung, zur richtigen Zeit und an den richtigen Stellen, die individuell, argumentativ und dialektisch sinnvoll sein soll. Anders ausgedrückt: keine Frontalbelehrung mit dem erhobenen Zeigefinger. Wohlgemerkt gelte das nicht für militante Rechtsextreme mit gefestigtem Weltbild. Die würden bei solchen Gelegenheiten eher aggressiv, berichtet die Sozialarbeiterin, das habe man selber schon erlebt. Mit allen anderen müsse man den Dialog suchen, Argumente "wegzuschieben" würde einen nicht weiter bringen.

"Belehrung kommt gegen Erfarhung nicht an", sagt Meder, mit Kontakten und Begegnungen unter den richtigen Vorraussetzungen könnte man mehr erreichen. Also genau das, was den Verein Schrankenlos schon immer ausgemacht hat. Nur die Umstände haben sich geändert. Wieder einmal.
Angelo Glashagel
Autor: red

Drucken ...
Alle Texte, Bilder und Grafiken dieser Web-Site unterliegen dem Urherberrechtsschutz.
© 2021 nnz-online.de