nnz-online
Keuchhustenausbruch im Kindergarten

Angst am Lohmarkt

Montag, 19. Februar 2018, 20:53 Uhr
Viele Eltern, deren Kinder im Johanniter-Kindergarten in Nordhausen betreut werden, haben Angst. Angst um die Gesundheit ihrer Kinder. In der Einrichtung ist Keuchhusten ausgebrochen. Eine Bestandsaufnahme...

Keuchhusten in der Kita am Lohmarkt (Foto: nnz) Keuchhusten in der Kita am Lohmarkt (Foto: nnz)
Die Tochter von Ingo Kirchhoff erkrankte vor mehr als vier Wochen. Es sei ein böser Husten gewesen, sagt der Vater, der selbst nach der Behandlung mit Antibiotika nicht verschwand. Daraufhin baten die Eltern des zweieinhalb Jahre alten Mädchens die Ärztin, einen Abstrich vornehmen zu lassen.

Das Ergebnis: Das Kind hat Keuchhusten. Für Kirchhoffs eigentlich unfassbar, galt die hochansteckende Krankheit in Deutschland doch fast als ausgerottet. Dann machte sich der Vater auf zum Gesundheitsamt, dort erhielt er seinen Worten zufolge die beschwichtigende Nachricht, dass man wegen eines erkrankten Kindes noch nichts unternehmen werde.

Anders sieht das die Behörde. Sie teilt der nnz mit: "Schon bei den ersten Krankheitsfällen in der Einrichtung hat das Gesundheitsamt veranlasst, dass in der Kita ein Informationsschreiben für die Eltern ausgehangen wird. Außerdem fand bereits in der vergangenen Woche (Mittwoch) eine Elternversammlung statt, bei der das Gesundheitsamt die Eltern informierte. Auch die niedergelassenen Kinder- und Hausärzte hat das Gesundheitsamt sehr zeitnah informiert, bereits beim Auftreten des ersten Falls."

Mittlerweile sind in der Einrichtung elf Kinder und mindestens vier Erzieherinnen an Keuchhusten erkrankt, bestätigte auch JUH-Dienststellenleiter Steffen Backhaus gegenüber der nnz. Die Eltern wurden bereits am Freitag gebeten, ihre Kinder nicht in die Kita zu schicken. Dass die Kita auch erkrankte Kinder nicht generell abweisen, sondern nur eine Bitte aussprechen dürfe, das ist Herrn Kirchhoff unverständlich, wie er der nnz sagte. Dazu das Gesundheitsamt: "Nach dem Infektionsschutzgesetz darf jemand mit Keuchhusten schon im Verdachtsfall weder Kita noch Schule besuchen. Wenn die nachweislich erkrankten Kinder mit Antibiotika behandelt werden (5-7 Tage), dürfen sie danach wieder die Einrichtung besuchen, ohne Antibiotika erst nach drei Wochen."

Und es wird komplizierter. Aufgetreten ist in der Einrichtung der Keuchhusten durch einen artverwandten Erreger (Bordetella parapertussis), gegen den die Keuchhustenimpfung nicht wirkt. Dieser Erreger verursacht bundesweit nur etwa 3-4 Prozent der Keuchhustenerkrankungen. Bei diesem hier aufgetretenen artverwandten Keuchhustenerreger ist der Krankheitsverlauf in der Regel etwas milder, wodurch es gerade in der laufenden Erkältungs- und Grippesaison vorkommen kann, dass die Krankheit nicht erkannt wird.
 
Ein vorsorglicher Test der Kinder, die keinerlei Symptome zeigen, führt nicht zu sicheren Ergebnissen. Ein zunächst negatives Ergebnis schließt nicht aus, dass sich der Untersuchte bereits angesteckt hat, aber die Erkrankung aufgrund der Inkubationszeit vom 9 bis zu 20 Tagen noch nicht ausgebrochen ist. 

Auch die Kita selbst hat Desinfektionsmaßnahmen durchgeführt. Anders als von Eltern behauptet, kann eine Kindereinrichtung die Betreuung von erkrankten Kindern ablehnen, vor allem bei ansteckenden Krankheiten, sagt Backhaus.

Wer nun von den Kindern zuerst erkrankt ist, kann vermutlich nicht mehr zurückverfolgt werden. Die Kinder haben zudem einen unterschiedlichen Impfstatus. Hinzu kommen Mädchen und Jungen mit Migrationshintergrund, bei denen es womöglich keinerlei Schutz gibt.

Sowohl eine durchgemachte Keuchhustenerkrankung als auch die Keuchhustenimpfung schützen nicht ein Leben lang, man kann die Erkrankungen auch mehrmals bekommen. Es handelt sich bei Keuchhusten um eine hochansteckende Erkrankung, die etwa 3-5 Wochen lang ansteckend ist. Im Krankheitsverlauf entwickeln sich Hustenattacken (bis hin zum Erbrechen), die sich nachts noch verstärken können. Der Husten kann sehr lange anhalten („100-Tage-Husten“). Keuchhusten ist insbesondere gefährlich für Säuglinge, weil Keuchhusten bei ihnen Atemstillstände auslösen kann und Säuglinge haben auch das höchste Risiko für schwere Komplikationen wie zum Beispiel Lungen- und Ohrenentzündungen.
 
"Die jetzige Erkrankungen sind jedoch keine absolute Ausnahme. Im Landkreis Nordhausen gab es in den letzten zehn Jahren regelmäßig Keuchhustenfälle, vor allem unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen (rund 15-20 Fälle im Jahr). Alle Kinder, die in Deutschland leben, werden gleichermaßen nach den öffentlichen Impfempfehlungen der Ständigen Impfkommission (Stiko) geimpft, auch gegen Keuchhusten. 2016 gab es 22.119 Keuchhustenfälle in Deutschland", so die Info des Gesundheitsamtes. Was die Behörde nicht mitteilt, ist die Tatsache, dass es im Jahr 2013 nur 12.600 Fälle und im Jahr 2015 fast 14.000 Fälle gab.

Ingo Kirchhoff tröstet das nicht, er fühlt sich von den Behörden immer noch nicht umfassend informiert und rechtzeitig gewarnt, denn es muss ja nicht sein, dass seine Tochter das erste Kind war, auf das die Erreger übertragen wurden. Für seine Familie kamen die Infos zu spät und viele der betroffenen Eltern erinnern sich jetzt an die Folgen einer zögerlichen Informationspolitik im Fall der Tuberkulose-Erkrankungen, die in der Schule in Heringen vermehrt auftraten.
Peter-Stefan Greiner
Autor: red

Drucken ...
Alle Texte, Bilder und Grafiken dieser Web-Site unterliegen dem Urherberrechtsschutz.
© 2021 nnz-online.de