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Himmelgarten Ausstellung im Bürgerhaus

Vergessener Kunstschatz zwischen Buchdeckeln

Sonnabend, 18. November 2017, 11:30 Uhr
Vor drei Jahren kehrte die Himmelgartenbibliothek nach Nordhausen zurück. Als kultureller Schatz wurde die Sammlung gefeiert, viel gesehen oder gehört hat man seitdem nicht mehr. Nur ein paar verschlissene Folianten also? Der eigentliche Schatz findet sich zwischen den Buchdeckeln. Heidelore Kneffel hat die letzten zwei Jahre damit verbracht in zu heben...

Vergessener Kunstschatz im Bürgerhaus (Foto: Angelo Glashagel) Vergessener Kunstschatz im Bürgerhaus (Foto: Angelo Glashagel)

Dicke Schinken, altes Papier, schwere Buchschließen, viele noch nicht einmal sonderlich eindrucksvoll gearbeitet - auf den ersten Blick sind die meisten Bücher der Himmelgartenbibliothek nicht eben eine Offenbarung.

Der eigentlich Schatz, neben dem rein historischen Wert der Werke, findet sich zwischen den Buchdeckeln - Illustrationen und kunstvolle Drucke aus Meisterhand. "Das ist deutsche Hochrenaissance", schwärmt Heidelore Kneffel, "besseres finden sie auch in Italien nicht." Albrecht Dürer, Hans Hohlbein, Hans Baldung Grien und andere alte Meister haben nicht nur solitäre Bilder gemalt und Holzschnitte hergestellt, auch für viele der frühen Illustrationen der Buchdruckkunst waren die großen Namen dieser Kulturepoche verantwortlich.

Nur Auftragsarbeit damals, heute ein tatsächlicher Schatz. Viele der Bücher gebe es nicht mehr als ein oder zwei mal auf der Welt, berichtet Kneffel, was auch manche Illustration zu einem Unikat macht. Im Lesesaal der Stadtbibliothek, in dem die Himmelgartenbibliothek ursprünglich ihren neuen Standort hätte finden sollen, zeigt Kneffel in den nächsten Wochen großformatige Reproduktionen ausgewählter Inkunabeln.

Heidelore Kneffel hat zwei Jahre mit der Himmelgartenbibliothek zugebracht (Foto: Angelo Glashagel) Heidelore Kneffel hat zwei Jahre mit der Himmelgartenbibliothek zugebracht (Foto: Angelo Glashagel)

Kunstinteressierte erkennen einen deutlichen Wandel in Technik und Stil zwischen den ältesten Werken aus dem späten 15. und den "neueren" Illustrationen aus dem frühen 16. Jahrhundert. Historisch geneigte Besucher entdecken Alltagsszenen aus dem Klosterleben wie es sich auch in Himmelgarten abgespielt haben mag und große Persönlichkeiten der Kirchengeschichte. Wer die kuriosen Aspekte der Vergangenheit zu schäten weiß, wird ebenso fündig, denn nicht alles was gezeigt wird, ist aus Meisterhand. Manch frommer Mönch hat sich auch an der Kunst versucht und die Titelseiten der Bücher selber verziert - etwa mit einer reich "gesegneten" Liebesgöttin, begleitet vom kleinen Cupido, beide im Adams- bzw. Evakostüm. An anderer Stelle findet sich ein "Bildergedicht", in dem Verse nicht nur von links nach rechts, sondern auch von oben nach unten verlaufen.

Sie erinnere sich noch daran wie die Bücher in den Türmen der Blasii-Kirche gelagert wurden, berichtete Bibliotheksleiterin Hildegard Seidel, "niemand wollte diese vermoderten Bücher". Vergessen in einem dunklen Gemäuer, dem Zahn der Zeit überlassen. Im letzten Moment seien sie doch noch gerettet worden, meint Seidel. Alte Bücher könnten "Lust und Last" sein.

Für Heidelore Kneffel waren die zwei Jahre, die sie mit der Himmelgartenbibliothek verbracht hat "nur Lust". Ihr ist es zu verdanken, dass die Sammlung im Moment nicht ein ähnliches Schicksal wie damals ereilt. Sicher, die Bücher sind heute gut verwahrt. Sie verrotten nicht in einem Turm sondern ruhen sanft gebettet in einem dunklen Keller. Mit dem öffentlichen Interesse, selbst von Seiten der kulturaffinen Nordhäuser, verhält es sich indes in etwa so wie mit dem Interesse der alten Pfarrer, welche die Sammlung überhaupt erst vermodern ließen: man scheint nicht zu wissen, was man da hat. Man hat die Bücher heimgeholt und dann nichts mit ihnen angefangen, genauso wie man ein Museum gebaut und ausgestattet hat um es dann am austreckten Arm verhungern zu lassen.

Vergessener Kunstschatz im Bürgerhaus (Foto: Angelo Glashagel) Vergessener Kunstschatz im Bürgerhaus (Foto: Angelo Glashagel)

Dem Nordhäuser Tourismus, gerade der musealen Landschaft, fehlt das Pfund mit dem man wuchern könnte. Anstatt sich aber dessen zu bedienen was man unter viel Mühen und langen Diskussionen geschaffen und geholt hat, lässt man es liegen. Frau Kneffels Engagement kann an dieser, wie an manch anderer Stelle auch, gar nicht hoch genug geschätzt werden. Und sie ist nicht allein. Für mehr als einige von Hand zusammengestellte Ausstellungen reicht die Kraft von ein paar Einzelkämpfern aber nicht aus. Um mehr zu tun fehlt es an anderer Stelle entweder am Mut oder am Verständnis, womöglich an beidem. Und natürlich am Geld.
Angelo Glashagel
Autor: red

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