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nnz-Interview zur OB-Wahl

Die Anderen sind verbraucht

Montag, 18. September 2017, 10:00 Uhr
Ein parteiunabhängiger Kandidat in der Stichwahl - für die politische Landschaft Nordhausens war die erste Runde der OB-Wahlen ein kleines Erdbeben. Kai Buchmann schickt sich an ins Rathaus einzuziehen, wie er sich die Arbeit dort vorstellt und wie die Stadt in den kommenden Jahren vorangebracht werden soll, dazu hat ihn jetzt die nnz ausführlich befragt...

Kai Buchmann im nnz-Interview (Foto: Angelo Glashagel) Kai Buchmann im nnz-Interview (Foto: Angelo Glashagel)

nnz: Ihr Einzug in die Stichwahl war für viele eine Überraschung. Als wir vor gut einer Woche telefoniert haben, klangen Sie noch etwas mitgenommen. Hat sich die Aufregung inzwischen gelegt?

Kai Buchmann: Nun ja, das ist jetzt der Endspurt. Die Anspannung hat eher noch zugenommen.

nnz: Am ersten Wahlabend waren Sie zu Hause, die anderen Kandidaten haben sich mit ihren Unterstützern getroffen.

Buchmann: Wir, also meine Familie und ich, waren wählen und haben dann einen ganz normalen Sonntag verbracht und uns zum Tag des offenen Denkmals ein paar Dinge angesehen. Auf der Straße habe ich da schon viel positives Feedback bekommen, auch von Menschen, die ich gar nicht kenne. Das war schon wild. Am Abend haben wir auf die Ergebnisse gewartet. Aber bis alles klar war, hat es natürlich gedauert und es gibt am Sonntagabend einfach bestimmte Rituale, die man als Familie so durchläuft. Als das Ergebnis klar war, war das für uns ein sehr spannender Moment und ich habe meinen Kinder erklärt, dass das Ganze jetzt noch einmal zwei Wochen weitergeht.

nnz: Wie erklären Sie sich ihren Erfolg?

Buchmann: Da müssen Sie die Wählerinnen und Wähler fragen, die mich gewählt haben. Ich denke die anderen sind verbraucht. Anders kann ich es mir nicht erklären. Ich hatte ja keine feste „Klientel“, mich haben bei meiner Sammlung der Unterstützungsunterschriften Bürgerinnen und Bürger von 18 bis 88 gewählt, aus allen Bereichen.

nnz: Ihre Konkurrentin Frau Klaan führt ins Feld, dass sie mehr Erfahrung mitbringt und man mit ihnen ein „Experiment“ wählen würde.

Buchmann: Natürlich wäre es ein Experiment, aber eines der Nordhäuser Bürgerschaft. Und als Oberbürgermeisterin hat Frau Klaan genauso viel Erfahrung wie ich, nämlich gar keine. Fakt ist auch, dass mein Job im Südharz Klinikum nicht ganz ohne ist. Bei uns arbeiten 2000 Menschen, nicht rund 50 wie bei der SWG. Als Referent sitze ich im Vorzimmer der Geschäftsführung, ich bin da wenn es Probleme gibt, vermittele zwischen Leitung und Belegschaft, versuche Lösungen zu finden und übernehme auch strategische Aufgaben.

nnz: In den Mühlen einer öffentlichen Verwaltung haben Sie aber noch nie gearbeitet, Frau Klaan schon.

Buchmann: Das stimmt. Aber so wie ich die Sache sehe agiert ein Oberbürgermeister nicht im luftleeren Raum. Im Rathaus arbeiten jede Menge Profis.

nnz: Im Stadtrat werden Sie auch nicht allein sein. Die Parteien, die jüngst gegen Sie den Kürzeren gezogen haben sind hier auch vertreten. Denken Sie die Zusammenarbeit wird da funktionieren wenn man als der „Neue“ hinzu kommt?

Buchmann: Das muss funktionieren. Ich will mich nicht gegen irgendjemanden stellen, ich will, dass wir zusammenarbeiten. Am Ende geht es uns doch allen um das Wohl dieser Stadt und ihrer Bewohner.

nnz: Nordhausen ist die eine Sache, Erfurt eine ganz andere. Die „guten Kontakte“ in die Landeshauptstadt, die Polit-Profis gerne ins Feld führen, fehlen ihnen bisher.

Buchmann: Kontakte in die Landespolitik habe ich bisher keine, das ist richtig. Aber seien wir mal ehrlich: nach den letzten Jahren kann sich die Beziehung zum Land eigentlich nur verbessern. Ein Parteibuch der oder des OB hat in der Vergangenheit kaum Vorteile für die Stadt gebracht, eher im Gegenteil. Ich werde den Kontakt zu den Landtagsabgeordneten aus Nordhausen suchen. Ich denke, mit einer ehrlichen Zusammenarbeit ist beiden Seiten geholfen und es öffnen sich einige Türen in Erfurt.

nnz: In der Politik wird mit harten Bandagen gespielt, wie dick ist da ihr Fell?

Buchmann: Das Fell von Kai Buchmann ist schon ziemlich dick. Und in Erfurt würde ich nicht als Kai Buchmann, sondern als Oberbürgermeister der Stadt Nordhausen auftreten und der hat noch ein wesentlich dickeres Fell. Ob es nun im Stadtrat oder im Landtag ist: am Ende kochen alle nur mit Wasser. Ich will quasi der Deckel auf dem Topf sein, damit es etwas schneller kocht.

nnz: Ein anderer Vorwurf des letzten Wahlabends war der, dass mit ihnen jemand in die Stichwahl gekommen sei, der kaum Wahlkampf gemacht habe und das auch noch ohne erkennbares Programm.

Buchmann: Das ist doch Quatsch. Mein Wahlkampf war leiser als der der Anderen, aber eine Sammlung von Zielen hatte ich natürlich trotzdem. Nordhausen muss Kreisstadt bleiben, das ist klar. Und wir brauchen endlich Gewerbeansiedlungen im Industriegebiet, am liebsten Firmen aus dem Technologie-Bereich. Außerdem möchte ich eine effizientere Stadtverwaltung, die schneller Entscheidungen trifft und bürgernah arbeitet. Das Büro des OB soll offen sein und jeder die Möglichkeit haben mit Problemen zu mir zu kommen. Bei großen und wichtigen Entscheidungen sollen zudem die Bürger direkt befragt und ihr Votum auch anerkannt werden. Das ist in der Vergangenheit viel zu selten geschehen. Wenn man fragt muss man auch mit der Antwort leben.

nnz: Die anderen Kandidaten hatten über ihre Parteien einen geübten Apparat an Unterstützern. Sie dürften ihren Wahlkampf kaum allein gestemmt haben, wer sind ihre Unterstützer?

Buchmann: Ich habe, denke ich, eine ganz ordentliche Print-Kampagne „gefahren“ und mich persönlich an allen Diskussionsrunden beteiligt. Für die gesamte grafische Kampagne konnte ich eine Agentur engagieren, bei den Pressetexten hat mir ein Bekannter geholfen. Es war schon ein kleines Team. Und natürlich haben mich meine Familie und Freunde unterstützt.

nnz: Eine Gruppe unter dem Namen „Bürger pro Nordhausen“ hat auch für sie die Werbetrommel gerührt.

Buchmann: Dahinter stand Herr Becke, die Pressemitteilungen waren aber mit mir nicht abgesprochen und sind in einer Anonymität geschehen, die ehrlich gesagt eher kontraproduktiv war. Das ist das Gegenteil von dem was ich will.

nnz: Und dann wäre da noch die Unterstützung durch die AfD.

Buchmann: Sagen wir es mal so: es war gut, dass ich gerade beim Rugby-Training war, als ich das gehört habe. Eine Partei, die es nicht einmal geschafft hat, einen eigenen Kandidaten aufzustellen pickt sich den heraus, der ihr gerade genehm ist. Für Nordhausen haben sie keine Inhalte geliefert und ihre bundespolitischen Themen sind grenzwertig. Klare Trittbrettfahrer.

nnz: Bleiben die Gerüchte, dass Sie eigentlich ein Kandidat des Landrates Jendricke sind.

Buchmann: Ich kenne den Landrat vor allem über meine Arbeit beim Südharz Klinikum, aber kaum persönlich. Wir sind weit weniger verbandelt als es die Gerüchte glauben machen wollen. Ich sehe Herrn Jendricke nicht negativ. Er ist auch ein Nordhäuser, der an seiner Stadt hängt. Das ist der kleinste gemeinsame Nenner den wir haben. Sollte ich OB werden, will ich sachlich und fachlich arbeiten und nicht gegen jemand anderen.

nnz: Noch einmal zu ihrem Programm. So groß ist der Unterschied zu den Vorschlägen der „verbrauchten“ Parteien ja nun nicht.

Buchmann: Ich sehe darin kein Problem. Alle Kandidaten haben die grundlegenden Herausforderungen der Stadt erkannt. Sie auch zu lösen, das habe ich ihnen nicht mehr zugetraut. Deswegen habe ich kandidiert.

nnz: Ganz ohne politische Erfahrung sind sie auch nicht. Sie waren einige Zeit Mitglied der Grünen.

Buchmann: Das stimmt. Ich bin 2011 bei den Grünen Mitglied geworden, direkt nach der Fukushimakatastrophe. 2016 bin ich wieder ausgetreten. Ich habe auch als ehrenamtlicher berufener Bürger im Finanzausschuss der Stadt und des Kreises unterstützt und konnte einige Erfahrung mit der Arbeitsweise der Verwaltung sammeln. Im vergangenen Jahr bin ich bei den Grünen ausgetreten.

nnz: Wie stehen Sie zur Diskussion um den Park Hohenrode und den Plänen des Klinikums hier ein Hotel zu errichten?

Buchmann: Der Vorschlag des Südharz Klinikums war tragfähig, wurde aber vom Aufsichtsrat abgelehnt. Damit ist die Sache vom Tisch. Nach dem Rücktritt von Frau Hartmann wird es im Förderverein einen Generationswechsel brauchen, aber das ist Aufgabe der Bürgerinnen und Bürger, deren Entscheidung würde ich mich anschließen.

nnz: Im Rathaus hat man sich in den letzten Jahren viel mit der Stadtentwicklung der kommenden Jahre befasst. Wo setzen Sie hier ihre Schwerpunkte?

Buchmann: Die Stadtentwicklung muss vom Rathaus begleitet werden. Man wird sich, denke ich, der Bevölkerungsentwicklung anpassen müssen, weiter für barrierearme Übergänge zu sorgen haben und versuchen den Individualverkehr zu lenken. Auch die Entwicklung unserer Schulen sollte aktiv begleitet werden, wir müssen hier für ordentliche Bedingungen sorgen. Gleiches gilt auch für die Spielplätze der Stadt. Vereinbarkeit von Familie und Beruf sind wichtig, da spreche ich aus eigener Erfahrung. Wir brauchen gute Jobs und gute Freizeitangebote.

nnz: Die finanzielle Lage der Stadt war und ist die Großbaustelle der Verwaltung. Wie soll es mit Ihnen hier weiter gehen?

Buchmann: Ich will die Haushaltskonsolidierung abschließen und die Stadt ohne externe Gelder handlungsfähig machen. Projekte sollten, anders als bisher geschehen, in ihrer Dimensionierung immer wieder überprüft werden. Wir müssen uns öfter fragen: Brauchen wir das wirklich?

nnz: Wo würden sie den Rotstift ansetzen?

Buchmann: Viele Varianten gibt es da nicht, auch eine Verwaltung arbeitet nach Verträgen und die sind einzuhalten. Und was von den freiwilligen Aufgaben tatsächlich „freiwillig“ ist, das ist so eine Frage. Das muss ich mir anschauen wenn ich in die Verantwortung kommen sollte.

nnz: Zwei weitere Dauerbrenner der öffentlichen Debatte sind die Theatersanierung und der Albert-Kuntz-Sportpark. Wie soll es hier Ihrer Meinung nach weiter gehen?

Buchmann: Der Freistaat hat vor kurzem ein Budget für diese Aufgaben bereit gestellt. Meine Aufgabe wäre es, die Projekte in den nächsten sechs Jahren voranzubringen. Diese Gelder dürfen nicht liegen gelassen werden.

nnz: Letzte Frage: werden Sie am kommenden Sonntag feiern oder wird es wieder ein Abend im Schoss der Familie?

Buchmann: Ganz ehrlich: das ist für mich noch sehr weit weg. Aber ja, ich werde feiern. So oder so.

nnz: Herr Buchmann, wir danken für das Gespräch.

Das Interview führte Angelo Glashagel
Autor: red

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