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Idee im Rathaus: GEZ für Bus und Bahn

Dienstag, 31. Mai 2016, 19:00 Uhr
Im Nordhäuser Rathaus gab es heute ein Pressegespräch der besonderen Art. Es ging um die Präsentation einer Zeitung, deren erste Ausgabe im Jahr 2038 erscheinen soll. Sie ist das finale Produkt eines langen Prozesses...

Zeitung aus dem Jahr 2038 (Foto: nnz) Zeitung aus dem Jahr 2038 (Foto: nnz)
Wir hatten heute bereits berichtet über die Pressekonferenz, bei der Vertreter von drei lokalen Medien 13 Gesprächsteilnehmern plus Oberbürgermeister gegenübersaßen.

Eine Zukunftszeitung wurde stolz vorgestellt. Deren geistige Workshop- und Druck-Vorstufe soll alles in allem 30.000 Euro gekostet haben und hat die Visionen von Nordhäusern zum Inhalt. Energetischer Wandel, Klimawandel StadtLandMobilität - ach wie wunderbar liest sich das alles.

Wie herrlich ist all diese Vision, so richtig passend für ein Zukunftsamt im Rathaus und so richtig passend für externe Berater, für externe Moderatoren von Bürgerveranstaltungen, über die wir ausführlich berichteten. Die ziehen wie Karavanen durch das Land und moderieren sich durch die Republik und im Nordhäuser Rathaus jauchst man vor Freude, wenn sie bunte Bildchen im Ratssaal des Bürgerhauses an die Leinwand projizieren und Youtube-Clips produzieren.

Doch will ich überhaupt wissen, wie das "Nordhausen im Jahr 2038" aussieht? Es wird ein Wunsch bleiben, weil niemand die Rahmenbedingungen kennt. Ich sehe das Hier und Heute: Ich bin mit dem Fahrrad vom Rathaus zum Büro gefahren. Über eine Hesseröder Straße, deren Pflaster sich seit 24 Jahren nur verschlechtert hat. Über eine Brücke, die seit Jahren nur mit verminderter Traglast befahren werden kann und deren tragende Bauwerke immer größer werdende Risse aufweisen. Und wenn ich auf dem Fußweg der Bochumer Straße in Richtung Salza laufe, dann muss ich erkennen, dass dort immer noch die Gehwegplatten aus irgendeiner Konsumgüterproduktion kaputtgehen.

Das, liebe Freunde der Visionen, das ist die Realität. Die ist das Ergebnis der Vergangenheit dieser Stadt. Nicht der, die mit dem April des Jahres 1945 und den Jahren danach verbunden ist, sondern mit der nicht allzu weit zurückliegenden Rathauspolitik.

In den nächsten Phasen des Projekts, für die sich Nordhausen natürlich bewerben will, steht die Gestaltung der Energiewende auf dem Programm. Hört sich verdammt gut an. Nur, daran bastelt nicht nur Nordhausen. Vielleicht auch deshalb soll das nur ein Planspiel sein und solche Aussagen wie "wir müssen kreative Lösungen finden", sind der schiere Ersatz für "was Richtiges können wir nicht bezahlen". Wer weiß denn, ob es in zehn Jahren nicht Technologien zur Speicherung von Energie gibt? Dann redet niemand mehr über die Reduzierung von Kohlendioxid.

Ach ja, auch einen kreativen Öffentlichen Personennahverkehr soll es bis zum Jahr 2038 geben. Den Nahverkehr, den ich erleben darf, der ist seit Jahren von einer stetigen Verlängerung der Straßenbahntakte und von einer ständigen Ausdünnung der Buslinien gekennzeichnet. Und ein einziges und natürlich gefördertes E-Mobilitätsprojekt in Werther macht noch lange keine Energiewende für eine gesamte Region aus.

Bleibt nur noch die Nordhäuser GEZ für Bahn und Bus - scheinbar ein Lieblingsprojekt der Rathausspitze. Das Bürgerticket bedeutet nichts anderes, als dass der ÖPNV in Nordhausen über eine Umlage finanziert werden soll. Wie die GEZ - eine Zwangsverpflichtung für alle. Egal, ob und wie oft man Bus oder Bahn fährt. Das Geld, das über die Fortführung des Wettbewerbes nach Nordhausen fließt, das soll unter anderem dafür eingesetzt werden, um die Vorbereitung und Durchführung rechtlich abzusichern. Eine tolle Vision, die sich den Nordhäusern da auftut. Wie in einem Drehbuch klingelte da bei einem der 13 Zukunftsakteure das Handy und die Mailboxstimme meldete sich "Tut mir Leid, ich habe Sie nicht verstanden"...
Peter-Stefan Greiner
Autor: nnz

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