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Wünsche für 2016

Wir brauchen endlich Ansagen

Montag, 04. Januar 2016, 06:46 Uhr
Das Jahr 2015 liegt hinter uns. Endlich, werden die einen sagen. Schade, schätzen die anderen ein. Es war ein aufregendes, eines an Nachrichten starkes Jahr. Gut für die Journalistenmeute, könnte man meinen. Doch unser Blick soll nach vorn gehen, auf die verbleibenden 363 Tage...


Aber: ist das, was uns alle im vergangenen Jahr bewegte, nun vergessen? Können wir das abhaken? Nein, denn das Problem der Flüchtlinge wird unser Denken und Handeln, eben unser Leben weiter bestimmen. Die 1.087.478 Frauen, Männer und Kinder, die im Jahr 2015 in Deutschland offiziell registriert wurden und jene, die in diesem Jahr zu uns kommen werden, sie werden das Leben in diesem Land verändern.

Und da müssen Fragen erlaubt sein: Wie wird sich dieses Land verändern? Wer gibt die Richtung der Veränderung vor? Wer beschreibt den Weg dorthin? Wer macht die Ansagen? Schaue ich zurück auf die vergangenen zwölf Monate, dann bekomme ich schon ein flaues Gefühl, wenn ich an die Antworten denke. Bekomme ich sie überhaupt? Und wenn ja, von wem?

Das Ergebnis klarer Ansagen (außer "Wir schaffen das") ist immer noch in weite Ferne gerückt und die Politiker, von denen wir solche Antworten und Ansagen verlangen könnten, die haben sich im Jahr 2015 soweit von großen Teilen des Volkes entfernt, dass man drauf und dran ist zu sagen: Vielleicht sollten sie sich das Volk aussuchen, dass zu ihnen passt. Das sind dann nicht das Pack, die Rattenfänger, die Dumpfbacken. Das sind vielleicht die Hinterherläufer, die Nachplapperer, die Biegsamen, die Folgsamen. Am schönsten war das beim aktuellen Parteitag der CDU auszumachen. Weitere Details erspare ich mir.

Ersparen kann ich mir aber nicht das Formulieren einer konkreten Angst. Und das ist die sich weiter ausbreitende "Schizophrenie" unter den Deutschen. In meinem Bekanntenkreis - privat oder dienstlich - gibt es nahezu ausnahmslos Menschen, die in privaten Gesprächen ihre Angst vor dem was kommt, kundtun. Die Sorgen haben. Sorgen vor den wieder eine Million registrierter Flüchtlinge, Sorgen vor den hunderttausenden von nicht registrierten Flüchtlingen, Sorgen vor Terrorwarnungen, Sorgen vor der Zukunft ihrer Kinder und Enkel. Das ist die private Seite und da spielt es keine Rolle, aus welcher "Ecke" dieses Landes der Gesprächspartner kommt.

Nun zur offiziellen Seite der gespaltenen Meinungspersönlichkeit: Fragt man diese Frauen und Männer, was sie sagen würden, wenn ihnen ein Reporter ein Mikrofon unter die Nase hält, dann haben sie plötzlich eine andere Meinung. Warum? Sie haben Angst, Angst, in der rechtsradikalen Ecke platziert zu werden. Aber, sie haben auch Angst um ihren Arbeitsplatz. In einer öffentlichen Verwaltung kann man das noch verstehen. Doch vor einigen Tage sprach ich mit einem Mann aus Heilbronn, der in einer Brauerei arbeitet. Auch der hat Angst, seinen Arbeitsplatz zu verlieren, wenn er offen seine Meinung sagen würde. Was habe ich ihm geantwortet: kenne ich, hatten wir schon, damals, vor mehr als einem Vierteljahrhundert.

Zum Schluss ein Blick auf diejenigen, die eigentlich offen und objektiv über unser Land, dessen Zukunft und Veränderungen berichten müssen - die Medien.

Im vergangenen Jahr wurden wiederum Millionen von Kindern nicht älter als fünf Jahre. Sie starben durch Krieg, Elend, sie wurden missbraucht, vergewaltigt, sie verhungerten. Ich warte in diesem Jahr auf eine Meldung dazu.

Heute wurde in einem Medium - dem einstigen Maßstab unabhängiger Berichterstattung - über den Tod eines Kindes ausführlich berichtet. Klar: es starb auf der Flucht aus Syrien. So furchtbar das ist, so beklagenswert, dahinter verbirgt sich System. System in der Berichterstattung. Alles und jeder, der sich in den vergangenen Monaten auch nur anmaßte, kritisch zu sein, Fragen zu stellen, vielleicht mahnend den Zeigefinger zu haben, wurde mit einer solchen Macht niedergeschrieben, dass es mitunter nicht mehr auszuhalten war. Und ich meine damit nicht das menschenverachtende oder hetzerische Geschreibe oder Gerede von selbsternannten Deutschlandwächtern.

Ich meine den normalen Menschen mit seinen Sorgen und Ängsten, die bislang ja nicht verboten sind. Ich meine die mediale Beeinflussung, den herablassenden Stil, die subtile Beschimpfung von Menschen, die sich Demos angeschlossen haben. Die bei Pegida mitlaufen, weil sie dem politischen System, so wie es sich gezeigt hat, nicht mehr vertrauen. Die bei der AfD mitlaufen, weil ihnen ihre bisherige politische Heimat abhanden gekommen ist. Wohl gemerkt, kein Verständnis darf es für diejenigen geben, die sich Demonstrationen oder Kundgebungen anschließen, die von der NPD oder ähnlichen nationalistischen Vereinigungen organisiert sind.

Ich verurteile aber auch diejenigen, die bei den sogenannten bunten Gegendemos "Deutschland verrecke" rufen und denen keine dahinter marschierenden Demokraten Einhalt gebieten.

Für diese Haltung wurden die Nordthüringer Online-Zeitungen beschimpft und verunglimpft. "linker Schmierenjournalismus" titelte das rechte Lager, "braune Journaille" wurde per Facebook aus der Nordhäuser Stadtratsfraktion mitgeteilt.

In den vergangenen Monaten veränderten sich die überregionalen Medien auch in einer anderen Facette. In den Online-Ausgaben der "Premium-Seiten" wurden nach und nach die Kommentare abgeschaltet. Es hätten die Hasskommentare überhand genommen, schreibt SPON und man habe nicht die personelle Kraft, die Kommentarflut zu moderieren. Andere Medien folgten. Die "Zeit.de" hielt durch und ließ Kommentare zu, der Focus folgte wieder. Er kürzlich erschien eine Betrachtung (http://www.focus.de/politik/deutschland/fietz-am-freitag/fietz-am-freitag-eine-selbstsichere-gesellschaft-laesst-sich-nicht-von-zuwanderern-dominieren_id_5181510.html). Mit Stand von gestern 11.00 Uhr gibt es dazu fast 250 Kommentare. Sind die auch von geistigen "Dumpfbacken", vom "Pack" oder "Rattenfängern" geschrieben? Ein Urteil kann und darf sich jeder selbst bilden.

Es darf auch abschließend noch die Frage gestellt werden: Wie viel Neubürger kann dieses Land noch verkraften? Wie viel Menschen können integriert werden? Erst in die sozialen Systeme, dann in die Gesellschaft? Unendlich, so wie es bislang von den politisch Agierenden, heruntergebetet wird? Sollte das so sein, dann wird sich dieses Land verändern. Nur: diese Veränderung wird vermutlich nicht mehr durch die Politik gesteuert. Die läuft dann anders ab. Das allerdings gilt es zu vermeiden. Mit all dem was dieses Land zu bieten hat: mit den Menschen.
Peter-Stefan Greiner
Autor: red

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