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Die "Dauerleihgabe"

Montag, 21. Oktober 2013, 06:49 Uhr
In den vergangenen Monaten wurde über die Himmelgarten-Bibliothek mehr geschrieben und veröffentlicht, als das in den Jahrzehnten davor der Fall war. Es lassen sich aber auch viele Geschichten über diesen bibliophilen Schatz erzählen. Die nnz versucht die Rückkehr ansatzweise zu rekonstruieren...


Obwohl in Naumburg, im damaligen DDR-Bezirk Halle, mit einem Leihvertrag sicherer und besser als in Nordhausen verwahrt, gab es schon den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts immer mal wieder die Diskussion in der Nordhäuser Blasii-Kirchengemeinde, die historischen Bücher nach Nordhausen zurückzuholen. Doch es fehlte nicht nur am Geld, sondern auch an den Räumlichkeiten.

Pfarrer Peter Lipski kennt diesen Teil der Geschichte nicht aus eigenen Erleben, er wirkt seit 1994 in Nordhausen, sie wurde erzählt. Und es ging ihm, wie vielen anderen Menschen in Nordhausen - die Himmelgarten-Bibliothek hatte fast etwas Mystisches, etwas Geheimnisvolles. Es blieb jedoch bei den zaghaften Versuchen, den bibliophilen Schatz zurückzuholen. Kein Geld, keine Räumlichkeiten.

Hoffnung keimte in den 90er Jahren auf, speziell, als das Pfarrhaus neben der Kirche saniert wurde. Könnte man im Zuge der Sanierung nicht Räume schaffen, in denen die Bücher untergebracht werden? Konnte man nicht: Kein Platz, kein Geld. Und so ganz unglücklich war die Landeskirche nicht, dass die Bibliothek - mittlerweile in Wittenberg angekommen - dort auch blieb.

In Nordhausen geriet die Existenz nie gänzlich in Vergessenheit, auch weil zum Beispiel Dr. Manfred Schröter und andere immer mal wieder "bohrten". Es war nicht dieses Bohren allein, was letztlich entscheidend war, es war ein Vorstoß aus dem Rathaus, ein Gebäude zu errichten, das mal Kulturbibliothek, mal Mehrzweckgebäude hieß und um dessen Namen immer noch gestritten wird.

Es war Barbara Rinke, die in vielen Sitzungen des Nordhäuser Stadtrates und in Bürgergesprächen für den Bau am Rathaus warb - auch und gerade mit dem Argument, den Nordhäuser "Kirchenschatz" endlich wieder zurück in seine Heimat zu holen. Ein Argument, das wog, denn letztlich kann sich der Stadtrat in seiner Mehrheit nicht aus der Verantwortung für den Bau der KuBiBo ziehen.

Und nur, weil die Stadt nun einen entscheidenden Schritt unternahm, konnte die Heimkehr der Bibliothek angegangen werden. Gemeinsam mit der Kirchengemeinde. "Wir hätten nie und nimmer die finanziellen Ressourcen aufbringen können, um den architektonisch und baulichen Rahmen sowie die technische Infrastruktur für die Unterbringung der wertvollen Bücher vorzuhalten", sagt Peter Lipski.

Der Pfarrer erinnert sich auch an die Vorbehalte, die es seitens der Landeskirche gab, Kircheneigentum in einem kommunalen Gebäude aufzubewahren. Vorbehalte, die noch immer nicht ganz verschwunden sind und die erneut auflammten, als bekannt wurde, dass die Himmelgarten-Bibliothek nie und nimmer ihren Platz im Mehrzweckgebäude hätte finden können.

"Anfang 2013 war es, da wir als Kirchengemeinde das erste Mal von den Problemen Kenntnis bekamen", erzählt Peter Lipski, der den Zustand damals mit "erschrocken" beschreibt. Was folgte, das waren Gespräche mit der neuen Dezernentin im Nordhäuser Rathaus. Hannelore Haase offerierte die Alternative der Unterbringung im Neubau des stadthistorischen Museums, der Flohburg.

"Das war für uns die zweitbeste Lösung, die vermittelbar war, auch im Hinblick auf die übergeordnete Kirchenleitung." In der Landeskirche gab und gibt es starke Kräfte, die immer noch für einen Verbleib der Bibliothek in Wittenberg plädieren. "Selbst in unserem Gemeindekirchenrat gibt es Befürworter und Zweifler", berichtet Peter Lipski.

Der mittlerweile geänderte Vertrag, der auch den "Segen" des Stadtrates hat, ist von der Landeskirche genehmigt und so kann dem Umzug der Bände von Wittenberg nach Nordhausen nichts mehr im Wege stehen. Wenn mit dem Umbau in der Flohburg alles reibungslos vonstatten geht, dann sollte die Rückkehr der Himmelgarten-Bibliothek im Herbst kommenden Jahres realisiert werden. Die Kirchengemeinde St. Blasii-Altendorf versteht sie dann als Dauerleihgabe.

Die Geschichte der Rückkehr ist die Geschichte einer Symbiose. Auf der einen Seite der Wunsch, das wertvolle Eigentum im "eigenen Haus zu haben", jedoch kombiniert mit der Einsicht in die finanzielle Unmöglichkeit. Auf der anderen Seite die Möglichkeiten einer Kommune, die sich einen Palast aus Glas und Beton gönnte.

Es sei noch einmal festzustellen und darauf legt Pfarrer Lipski großen Wert: Der eigentliche Anstoß für das Rückkehr-Vorhaben, der kam aus dem Rathaus. Die symbolisch entgegengestreckte Hand hatte die Kirchengemeinde angenommen. Jeder andere hätte das vermutlich auch getan.
Peter-Stefan Greiner
Autor: red

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