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Do, 07:01 Uhr
03.09.2009

nnz-Serie: Wende-Zeiten (Teil 6)

Die nnz setzt ihre Serie fort, die an die friedliche Revolution in der damaligen DDR und damit auch in Nordhausen vor 20 Jahren erinnern soll. nnz-Autor Hans-Georg Backhaus kommt in diesem Teil im Jahr 1989 an und beschreibt unter anderen den „Sozialismus in den Farben der DDR“.


Das Fernsehen war für die DDR-Bürger das „Tor zur Welt“. Besonders hoch im Kurs standen die Programme von ARD und ZDF. Wenn die DDR-Medien über Ereignisse, die nicht in ihr ideologisches Weltbild passten, nicht berichteten, war das zwar ärgerlich, doch was machte das schon? Ein Knopfdruck genügte, und man hatte „sein Programm“. Bis in die Wohnzimmer reichte das Auge der Staatsmacht in der Regel nicht. Somit waren die Menschen in der DDR – bis auf das „Tal der Ahnungslosen“ (Raum Dresden) – über Jahrzehnte an eine freie Berichterstattung gewöhnt, wussten aber auch tendenziöse Sendungen des „Westfernsehens“ richtig zu werten.

Grenzöffnung in Ungarn (Foto: Bundesarchiv) Grenzöffnung in Ungarn (Foto: Bundesarchiv) Doch Millionen Zuschauer in Ost wie in West wollten ihren Augen nicht trauen, als am 2. Mai 1989 bundesdeutsche Fernsehanstalten folgende Szenen sendeten: Ungarische Grenzer durchtrennen symbolisch den Stacheldraht und öffnen ihre Grenze zu Österreich. Ähnliche Szenen - nur wesentlich besser in Szene gesetzt – wiederholten sich am 27. Juni des gleichen Jahres, diesmal mit den Außenministern von Ungarn und Österreich. Ungewissheit machte sich bei den DDR-Bürgern breit, aber auch Hoffnung. Die Menschen spürten, dass sich „irgend etwas“ zu verändern schien. Hunderten DDR-Urlaubern gelang durch diese Maßnahme im Verlauf des Sommer 1989 die Flucht in den Westen.

Bestärkt durch eine nunmehr vielfach spürbare Aufbruchstimmung in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens stellten im Vorfeld der Kommunalwahlen am 7. Mai 1989 mutige Bürger in Einwohnerversammlungen aus der Stadt und dem Kreis Nordhausen kritische Fragen an die Vertreter des Staatsapparates und an gewählte Abgeordnete. Nicht wenige forderten öffentlich die Umsetzung von Glasnost und Perestroika auch in der DDR. In der Regel wurden sie mit der zu dieser Zeit oft gebräuchlichen Floskel vom SED-Chefideologen Kurt Hager „Wenn der Nachbar seine Wohnung renoviert, muss man doch nicht auch die Tapeten wechseln“ abgespeist.

Zudem sei in der DDR ja das meiste in Ordnung und anderes müsse eben noch in Ordnung gebracht werden. Sehr oft war auch von einem „Sozialismus in den Farben der DDR“ die Rede. In der Tat beeindruckte solch ein Spruch schon mal die Bürger, zumal vielen in Erinnerung war, das diese abgewandelte Losung aus der französischen Geschichte stammte. Und die Vertreter der Partei- und Staatsmacht wiegten sich im Glauben, damit alles erklärt zu haben.

Da es in der DDR keine Briefwahl gab, wurde in vielen Städten – so auch in Nordhausen – reichlich von der Nutzung der Sonderwahllokale schon vor dem eigentlichen Wahltermin Gebrauch gemacht. Der Vorteil lag auf der Hand: Die Wahlhandlung war anonymer, man fühlte sich weniger überwacht, was wiederum dazu führte, dass zahlreicher als je zuvor von der Nutzung der Wahlkabinen Gebrauch gemacht wurde. Und das Ergebnis: Es gab weitaus mehr Gegenstimmen als bei früheren Wahlen, in manchen Wahlbezirken zwischen 5 und 10 Prozent.

Engagierte Bürger – in Nordhausen waren es vor allem junge Leute aus evangelischen und katholischen Kirchgemeinden - überwachten vielerorts die Stimmauszählungen und mussten nach der Bekanntgabe der Wahlergebnisse nicht selten Manipulationen feststellen. Schriftliche Eingaben bei der Zentralen Wahlkommission der DDR unter dem Vorsitz von Egon Krenz wurden in der Regel nicht beantwortet, aber auch befürchtete Repressalien gegen Wahlüberwacher blieben erfreulicherweise aus. In der Rolandstadt befand sich das Sonderwahllokal für die Wahlen am 7. Mai 1989 im Stadthaus Am Kornmarkt. Hier war zu dieser Zeit die Stadt- und Kreisbibliothek untergebracht.
Hans-Georg Backhaus
Autor: nnz

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