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Do, 09:10 Uhr
04.07.2002

Kein Teuro ist wirklich zu finden

Nordhausen (nnz). In umfangreichen Studien und Recherchen konnte das Statistischen Bundesamtes keine Beweise für ungewöhnliche Preisaufschläge finden. Bis auf wenige Ausnahmen. nnz berichtet.


Es war ja wohl die „Bild“-Zeitung, die unlängst die größte Kampagne gegen angebliche Euro-Abzocker inszenierte und damit nicht nur die Massen gegen die neue Währung aufstachelte, sondern sogar Verbraucherministerin Renate Künast animierte, mit einem „Anti-Teuro-Gipfel“ Handlungswillen zu demonstrieren. Eine allgemeine Käuferunlust und sogar gezielte Aufrufe zu Käuferstreiks waren die Folge. Beweise für eine allgemeine und behauptete Teuerung aber konnte weder das Boulevard-Blatt noch die höchste deutsche Verbraucherschützerin erbringen, dafür waren die Aktionen spektakulär und für den Einzelhandel teilweise dramatisch. Kaufhäuser versuchen durch Rabattaktionen die Verluste des letzten halben Jahres zu mindern, kleineren Geschäften bleibt nur die Hoffnung, die Durststrecke zu überwinden, ohne die Segel streichen zu müssen.

„Unser Geld hat durch die Währungsumstellung nicht an Wert verloren.“ Zu dieser Feststellung gelangt das Statistische Bundesamt auch ein halbes Jahr nach Einführung des Euro-Bargeldes. Der allgemeine Eindruck, alles sei teurer geworden, decke sich nicht mit den Fakten und werde durch einige Ausreißer nach oben bestimmt, erklärt Amtspräsident Johann Hahlen zur gegenwärtigen Situation. Für die Vorwürfe jedenfalls finden die Statistiker in ihren umfassenden Analysen keinerlei Belege. Von einer breit angelegten „Abzocke“ ist nichts zu erkennen, im Gegenteil ist die Jahresteuerung auf raschen Rückzug. Von 2,1 Prozent im Januar sank sie in den Folgemonaten (1,7, 1,8 und 1,6 Prozent) bis auf 1,1 Prozent im Mai und - basierend auf vorläufigen Daten - auf 0,9 Prozent im Juni.

Allerdings gab es Ausnahmen, die von den Boulevardmedien, aber auch beispielsweise der ARD-Wirtschaftsredaktion aufgegriffen wurden, um gegen den Euro zu agitieren. Tiefer in die Tasche musste beispielsweise greifen, wer häufig ins Restaurant geht oder seine „Klamotten“ zum Waschen in die Reinigung gibt. Solch kostspielige Dienstleistungen werden stark von eher gut betuchten Personen benutzt, meint Jürgen Chlumsky, Leiter der Untersuchungen beim Statistischen Bundesamt. Dies könnte die heftige öffentliche Aufregung über den vermeintlichen „Teuro“ erklären, da zu dem Kreis der überdurchschnittlich Verdienenden auch Politiker und Journalisten zählen. Wenn sich diese „Meinungsmacher“ beim mittäglichen Gang zum Lieblings-Italiener über die Rechnung aufregen, heizen sie anschließend in Interviews und Artikeln die Stimmung an.

Saftige Aufschläge trafen allerdings auch Biertrinker in der Gaststätte. Hier greift die Entschuldigung der Brauereien und Wirte nicht, man habe nur mit ohnehin anstehenden Preiserhöhungen auf den Januar 2002 „gewartet“. Dagegen spricht, dass die Bierpreise sowohl vor- als auch hinterher so rasch gestiegen sind wie in normalen Zeiten auch. Von „aufgeschobenen Aufschlägen“ findet sich in den Zeitreihen nichts, erläutert Chlumsky. Anders bei Tageszeitungen: Bei den Abos war zwar ebenfalls zum Jahreswechsel ein Preissprung zu beobachten, doch anschließend folgte laut Chlumsky eine „im langfristigen Trend eher unterdurchschnittliche Preissteigerung. Der Experte hat offenbar nicht mehr die jüngsten Preissteigerungen bei der hiesigen Tageszeitung, der „Süddeutschen Zeitung“ und einiger weiterer Gazetten zur Kenntnis nehmen können.

Für Aufregung hatten Anfang des Jahres Lebensmittel, insbesondere Obst und Gemüse gesorgt. Hier fühlt sich das Statistische Bundesamt in seiner Einschätzung bestätigt, dass die „extremen Preiserhöhungen“ für diese Produkte des täglichen Bedarfs auf den außergewöhnlichen Kälteeinbruch in Südeuropa zurückzuführen sind. Mit dem wärmeren Wetter in den Anbaugebieten hat sich die Situation auf den deutschen Wochenmärkten und in Supermärkten mit Vollsortiment entspannt: Mittlerweile ist Obst nur noch ein Prozent teurer als zwölf Monate zuvor, für Gemüse zahlen die Verbraucher sogar acht Prozent weniger als vor Jahresfrist.

Wer allerdings gerne Tomaten (plus zehn Prozent) isst oder auf Ölsardinen (plus 15 Prozent) steht, darf weiter über Preiserhöhungen schimpfen. Nur mit dem Euro haben die genauso wenig - oder viel - zu tun wie die günstigen Angebote von Paprika (minus 28 Prozent).
Autor: nnz

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