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Mi, 08:00 Uhr
17.04.2019
Podiumsdiskussion

„Schießwut“ und Rotwild zwischen Leben und Tod?

„Der Hirsch und der Mensch – Einfluss von Tourismus, Freizeitnutzung und Jagd“ ist das Thema einer Podiumsdiskussion am Donnerstag ab 18 Uhr im Hotel „Zur Hoffnung“ in Werther. Im Vorfeld hat Kurt Frank mit Niels Neu von der "Interessengemeinschaft Rotwild" über Wohl und Wehe der Hirsche im Südharz gesprochen...

Nils Neu bei einem Spaziergang mit Hund in der Natur (Foto: privat) Nils Neu bei einem Spaziergang mit Hund in der Natur (Foto: privat)

Als Referenten haben sich Prof. Dr. Dr. habil. Sven Herzog von der TU Dresden/Wildökologie und Jagdwirtschaft, und Thomas Tscherne aus Österreich angesagt. Er ist Förster und Hirschflüsterer.

Nordhausen. „Der Rothirsch im Südharz – Fakten und Ideologie“ wird der Vortrag des Professors lauten. „Rotwild – zwischen Leben und Tod“ der des Försters aus Österreich. Leiten werden die Diskussion Klaus Thiemrodt, Vorsitzender der Hegegemeinschaft Rotwild, und Niels Neu von der Interessengemeinschaft zum Erhalt des Rotwildes im Harz. Kurt Frank sprach mit ihm.

nnz: Befindet sich unser Rotwild im Harz zwischen Leben und Tod?

Niels Neu: Wenn wir so weiter machen: Ja! Eindeutig! Dies ist umso bedauerlicher, als der Harz das größte zusammenhängende Rotwildgebiet in Europa ist. Und damit touristisch auch beworben wird. Doch das Rotwild ist gefährdet.

nnz: Ist es dem Thüringen-Forst geschuldet, der eine erhöhte Bejagung des Rotwildes wegen Wildverbiss in den Staatsforsten jahrelang forderte und zur „Schießwut“ beitrug?

Niels Neu: Das Wort „Schießwut“ möchte ich nicht gebrauchen. Gleichwohl animierte Thüringen-Forst die Jäger zum Erfolg. Wer keinen hatte, war wohl nicht erwünscht. Das kann nicht so weiter gehen. Mal hören, was dazu in der Podiumsdiskussion die Referenten zu sagen haben.

Auch im Winter kümmert sich Weidmann Neu um das Wohl der Tiere (Foto: privat) Auch im Winter kümmert sich Weidmann Neu um das Wohl der Tiere (Foto: privat)
Niels Neu bei einem Spaziergang mit Hund in der Natur. Foto: privat

nnz: Über den Wald-Wild-Konflikt wird nicht erst seit gestern diskutiert. Warum musste sich erst eine Interessengemeinschaft bilden, um nachhaltig auf die Not des Wildes zu verweisen?

Niels Neu: In den letzten drei Jahren hat sich die Bejagung in einem Maße erhöht, was allgemein negative Wahrnehmungen zur Folge hat. Es war notwendig, eine Interessengemeinschaft zum Erhalt und Schutz des Rotwildes ins Leben zu rufen. Die Mitglieder – Naturfreunde, Waldbesitzer, Weidmänner, Kommunal- und Landespolitiker und Leute aus der Tourismusbranche – eint der Wille, Rotwild wieder erlebbar zu machen, wie es Generationen vor uns erlebten.

nnz: Schutz des Rotwildes! Revierübergreifende Drückjagden mit großer Jägerschar vermitteln mitunter das Gegenteil. Über 100 Schüsse sollen im Vorjahr im Raum Rothesütte an einem Tag gefallen sein. Man hatte den Eindruck, Wild werde freiweg abgeknallt. Müssen solche Jagden überhaupt sein?

Niels Neu: Nein! Es muss nicht sein, dass Dutzende Jäger daran teilnehmen. Solche Jagden und die damit verbundene Knallerei schaden dem Image der Jagd. Und dem Wild. Konsequenzen sind erforderlich. Es gibt moderne Jagdmethoden, die sich weitaus weniger spektakulär und somit geräuschlos für die öffentlichen Wahrnehmungen vollziehen. Uns geht es um einen verträglichen und vernünftigen jagdlichen Umgang mit dem größten Wildtier unserer Zeit.

nnz: Der Wald wird immer stärker in Anspruch genommen – von Touristen, Erholungssuchenden, Wanderern, Spaziergängern, Mountainbikern, Motocross, Trassen- und Straßenbauten. Armes Wild?

Niels Neu: Das kann man laut sagen! Das Wild hat es nicht leicht. Jeden Tag immer schwerer. Wir sollten das Rotwild für die Bevölkerung – für Wanderer, Naturfreunde, Spaziergänger erlebbar machen. Eine Chance für den Tourismus. Die geplante Beobachtungsstation bei Rothesütte wäre dazu ein erster Schritt, den wir übrigens mit Thüringen-Forst gemeinsam gehen wollen.

Auch im Winter kümmert sich Weidmann Neu um das Wohl der Tiere. Foto: privat

nnz: Leider habe man Vorbehalte der Jagd gegenüber nicht abbauen können, bedauerte Egon Primas zur Hubertusmesse im Vorjahr. Was könnten Ihrer Meinung nach Ursachen sein?

Niels Neu: Ich sehe zwei Ursachen: Die meisten Menschen wohnen in Städten und deren Ballungsgebieten. Ihnen fehlt der Bezug zur Natur, der Zusammenhang zwischen Mensch und Natur. Zum anderen die Öffentlichkeitsarbeit. Sie lässt sehr zu wünschen übrig. So ist es nicht gelungen, verständlich zu machen, was Jagd und deren Sinn ausmacht.

nnz:Sie sind Geschäftsführer eines namhaften Unternehmens und Vorsitzender des Nordthüringer Unternehmerverbandes. Warum zogen Sie sich noch zusätzlich den grünen Rock an?

Niels Neu: Nicht, um auf Teufel komm raus Beute zu machen. Für mich ist Jagd ein Hobby. Ich verbinde sie mit dem Aufenthalt in der Natur, mit Entspannung vom oft stressigen Alltag.

nnz: Ein Jäger sei auch Naturschützer. Sagen zumindest die Jagdoberen. Was ist Ihr persönlicher Beitrag zum Schutz der Vögel und ihrer Nahrung, der Insekten?

Niels Neu: Ich wohne auf dem Dorf. Im Garten habe ich sieben Nisthilfen für verschiedene Vogelarten angebracht, die auch gut belegt sind. Ich freue mich über Meise, Rotschwanz, Amsel, Stieglitz, Buchfink & Co. Blumen und Blühsträucher locken Insekten. Außerdem legte ich einen Tümpel an. Darin wurden Amphibien heimisch. Im Stall meiner zwei Pferde fand sich im Vorjahr ein Pärchen Rauschwalben ein, das auch brütete. Ich war Happy und hoffe auf Rückkehr in diesem Jahr. Grausam finde ich Vorgärten, wo anstelle von Strauch und Blumen für Bienen und Vögel sich Schotter und Kies finden.

nnz: Herr Neu, vielen Dank für das Gespräch

Das Interview führte Kurt Frank
Autor: red

Kommentare
harzwj
17.04.2019, 11.31 Uhr
Aufklärung ist (fast) alles...
Mögen recht viele kompetente, interessierte Besucher die Veranstaltung, möglichste ohne "Tunnelblick" mit ihrer Anwesenheit bereichern.
Den Organisatoren hierzu viel Erfolg.
W. Jörgens
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