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Mi, 05:00 Uhr
27.06.2018
Kinderarmut hängt stark von Berufstätigkeit der Mütter ab

Teilhabegeld für Kinder soll Abhilfe schaffen

Das klassische Ein-Verdiener-Modell in Familien reicht in vielen Fällen nicht aus, um Kindern ein finanziell abgesichertes Aufwachsen zu ermöglichen. Wenn die Mutter erwerbstätig ist, ist das Risiko dagegen gering, dass die Kinder Armutserfahrungen machen...

Armutslagen in Deutschland (Foto: Bertelsmann Stiftung) Armutslagen in Deutschland (Foto: Bertelsmann Stiftung)
Kinder in Paarfamilien, deren Mütter dauerhaft in Vollzeit (mehr als 30 Wochenstunden), Teilzeit oder Minijobs arbeiten, sind fast alle finanziell abgesichert. Das Bild ändert sich aber deutlich, wenn die Mütter in Paarfamilien über einen längeren Zeitraum nicht erwerbstätig sind:
  • 38 Prozent der Kinder gelten dann als finanziell abgesichert,
  • 32 Prozent erleben dauerhaft oder wiederkehrend Armutslagen,
  • 30 Prozent kurzzeitig.
Für Kinder, deren Mütter im fünfjährigen Untersuchungszeitraum ihre Erwerbstätigkeit aufgeben oder verlieren, steigt das Armutsrisiko zudem signifikant an. Zu diesen Ergebnissen kommt eine Untersuchung des Instituts
für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) im Auftrag der Bertelsmann Stiftung.

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In einer Armutslage leben laut Definition dieser Studie Kinder in Familien, die mit weniger als 60 Prozent des mittleren äquivalenzgewichteten Haushaltsnettoeinkommens auskommen müssen oder staatliche Grundsicherungsleistungen (SGB II/Hartz IV) beziehen. In Ein-Eltern-Familien hängt das Armutsrisiko von Kindern noch stärker an der Erwerbstätigkeit der Mütter. Nur wenn eine alleinerziehende Mutter über einen längeren Zeitraum in Vollzeit erwerbstätig ist (mehr als 30 Wochenstunden), kann in den meisten Fällen verhindert werden, dass ihre Kinder in einer dauerhaften Armutslage aufwachsen. Auch dann machen noch 16 Prozent der Kinder zumindest zeitweise Armutserfahrungen.

Bei einer stabilen Teilzeitbeschäftigung der Mutter – oder wenn sie einen Minijob hat – leben 20 Prozent der Kinder dauerhaft oder wiederkehrend in Armutslagen, weitere rund 40 Prozent zumindest zeitweise. Ist eine alleinerziehende Mutter nicht erwerbstätig, wachsen ihre Kinder fast immer in einer dauerhaften oder wiederkehrenden Armutslage auf (96 Prozent). Für Jörg Dräger, Vorstand der Bertelsmann Stiftung, sind diese Zahlen alarmierend: „Kinderarmut hängt maßgeblich an der Erwerbstätigkeit von Frauen. Ob in Paarfamilien oder für Alleinerziehende: Müttern muss es erleichtert werden, arbeiten zu gehen.

Gleichzeitig brauchen Kinder gemeinsame Zeit und Betreuung, so dass nicht in jeder Familiensituation eine umfängliche Erwerbstätigkeit für Mütter möglich ist.“ Er fordert: „Kinder müssen unabhängig von ihren Familien so unterstützt werden, dass sie nicht vom gesellschaftlichen Leben abgekoppelt sind.“ Soziale Teilhabe von Kindern in Armutslagen deutlich eingeschränkt Armut bedeutet in Deutschland in der Regel nicht, obdachlos oder hungrig zu sein. Sie geht aber dennoch mit materiellen Entbehrungen und insbesondere Einschränkungen in der sozialen und kulturellen Teilhabe einher. 75 Prozent der Kinder und Jugendlichen, die dauerhaft finanziell gesichert aufwachsen, sind in Vereinen aktiv – bei denjenigen in dauerhaften Armutslagen hingegen weniger als 40 Prozent.

Diese Jugendlichen geben doppelt so häufig wie abgesicherte Jugendliche an, in ihrer Freizeit nicht an ihrer Wunschaktivität teilnehmen zu können. Sie fühlen sich zudem weniger zugehörig zur Gesellschaft und schätzen ihre eigene gesellschaftliche Position schlechter ein als Gleichaltrige. Sie wissen also schon in jungen Jahren, dass ihnen weniger Möglichkeiten offenstehen als finanziell besser gestellten Jugendlichen.

Mitgliedschaft in Vereinen (Foto: Bertelsmann Stiftung) Mitgliedschaft in Vereinen (Foto: Bertelsmann Stiftung)
„Schon früh erhalten Kinder in Armutslagen das Gefühl, ausgeschlossen zu sein und am gesellschaftlichen Leben weniger teilhaben zu können als abgesicherte Kinder in ihrem Umfeld“, so Dräger. Was zum normalen Aufwachsen in Deutschland dazu gehöre, bliebe vielen
von ihnen versagt. Dräger folgert: „Wenn Vereinsmitgliedschaft und andere Freizeitaktivitäten weiterhin stark vom Einkommen der Eltern abhängen, dann reicht das Bildungs- und Teilhabepaket hier offensichtlich nicht.“

Kinder in dauerhaften Armutslagen sind zudem weniger stark vernetzt. Sie geben seltener als ihre besser gestellten Altersgenossen an, viele enge Freunde zu haben. Für Dräger hat dies auch mit den leeren Geldbeuteln der Eltern zu tun: „Wer aus finanziellen Gründen seine Freunde nicht nach Hause einladen kann oder kein Geld für gemeinsame Hobbies hat, dem
fällt es schwerer, dabei zu sein und Freundschaften zu knüpfen.“

Teilhabegeld kann die Situation von Kindern verbessern
Laut Dräger haben alle Kinder ein Recht auf gutes Aufwachsen und faire Bildungs- und Teilhabechancen – egal in welcher Familienform sie aufwachsen oder wie ihre Eltern erwerbstätig sind. Denn insbesondere alleinerziehenden Eltern sei es in vielen Fällen aufgrund der oftmals alleinigen Verantwortung für die Kinder nicht möglich, in Vollzeit zu arbeiten. Die Bertelsmann Stiftung hat zur Verringerung von Kinderarmut ein drei Bausteine umfassendes Konzept entwickelt.
  • Erstens ist eine Bedarfserhebung vorgesehen, in der eine belastbare Fakten-Grundlage darüber geschaffen wird, was junge Menschen brauchen, um am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu können.
  • Zweitens soll ein Teilhabegeld diese Bedarfe für alle Kinder sichern. Dieses Teilhabegeld ersetzt und bündelt das Kindergeld, den Kinderzuschlag, den SGB-II Regelsatz für Kinder, den Unterhaltsvorschuss und einige Leistungen des Bildungs- und Teilhabepakets. Es müsste, so Dräger, zudem einkommensabhängig abgeschmolzen werden, um gezielt Armut zu vermeiden. „Das vorhandene Geld muss dort ankommen, wo es am meisten gebraucht wird.“
  • Als drittes sieht das Konzept vor, eine hochwertige Bildungs- und Betreuungsinfrastruktur zu gewährleisten, die durch ein gutes Unterstützungssystem vor Ort ergänzt wird.

Zusatzinformationen

Die Studie ist Teil des Projektes „Lebensumstände von Kindern im unteren Einkommensbereich“ des IAB im Auftrag der Bertelsmann Stiftung. Datengrundlage ist die repräsentative Längsschnittstudie „Panel Arbeitsmarkt und Soziale Sicherung“ (PASS), in dem seit 2006 jährlich ca. 15.000 Personen ab 15 Jahren befragt wurden. Für die vorliegende Studie konnten für 3.180 Kinder Informationen über einen Zeitraum von fünf Jahren ausgewertet werden.

Zu jedem der fünf Beobachtungszeitpunkte wird die Einkommenssituation für den Haushalt des jeweiligen Kindes betrachtet, so dass während des Zeitraums Wechsel in und aus Armut sowie die Dauer von Armutsepisoden beobachtet werden können. Je nach Dauer und Wechsel von Armutslagen wird zwischen temporären, wiederkehrenden oder dauerhaften Armutslagen bzw. gesicherten Einkommenslagen unterschieden.

Kinder leben laut dieser Studie in einer „Armutslage“, wenn mindestens eine der beiden gängigen Armutsdefinitionen zutrifft: Sie leben in einem Haushalt mit SGB-II-Leistungsbezug und/oder in Familien mit einem Haushaltsnettoeinkommen unterhalb der Armutsgefährdungsschwelle, also weniger als 60 Prozent des äquivalenzgewichteten Medianeinkommens.

Bei der Betrachtung der Erwerbstätigkeit liegt der Fokus auf der Situation der Mütter. Für Alleinerziehenden-
Haushalte bedeutet dies, dass nur die Erwerbstätigkeit alleinerziehender Mütter untersucht wurde. Aufgrund der kleinen Fallzahl von alleinerziehenden Vätern können keine Aussagen zur deren Erwerbstätigkeit getroffen werden.
Autor: red

Kommentare
muraschke
27.06.2018, 08.35 Uhr
Abseits vom Speckgürtel ...
Kinderarmut!? Was sagt uns das über die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft? Mann und Frau der Politik könnten sofort gegensteuern:

- kostenlose Schulspeisung für Kinder
- kostenlose Ferienbetreuung für Kinder
- kostenloses Schulmaterial für Kinder
- kostenlose Kultur für Kinder
- ...

Kein Geld dafür? Teilhabemacht!
Leser1
27.06.2018, 09.54 Uhr
Geld für alle
Es fehlen mehr Lehrer und Teilhabegeld für alle Kinder Einkommensunabhängig!!!!!!!
Wer arbeiten geht und alles bezahlt und mit Steuern die nicht arbeitenden finanziert hat in vielen Fällen weniger unterm Strich übrig als der von Sozialleistungen Lebende. Die Kinder von H4 und Sozialhilfeempfängern bekommen an vielen Stellen kostenlose Nachhilfe und andere Unterstützung. Die anderen Kinder wo beide Eltern arbeiten gehen und nach den Ausgaben unterm Strich nix übrig haben bekommen die kostenlose Nachhilfe nicht für ihre Kinder. Aus Sozialfamilien gehen einige Kinder nicht regelmäßig in die Schule weil es die Eltern nicht interressiert. Da hilft es nicht noch mehr Geld zu geben im Gegenteil den Geldhahn beim Sozialgeld etwas zudrehen für die welche unentschuldigt nicht zur Schule gehen. Das hilft. Was nützt ein Angebot wenn es nicht genutzt wird . Die Kinder des Mittelstandes verdummen genauso wie die armen Kinder wenn nicht genug Lehrer da sind. Viele im Mittelstand kommen gerade so über die Runden und haben oft weniger übrig wie die Sozialfamilien. Der Mittelstand wird bei Armutsförderung aber meistens ausgeschlossen. Für Flüchtlinge war auf einmal sehr viel Geld da. Für unsere Kinder und bessere Löhne für Lehrer um den Lehrermangel entgegenzuwirken ist meist kein Geld da.
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