Kunst kann vieles sein. Scheinbar unverständlich abstrakt oder scheinbar offensichtlich in Figur, Form und Erzählung. Auf den ersten Blick sind beide Pole stimmig, auf den zweiten oszilliert die Kunst vom einem zum anderen und darüber hinaus in ihrer unendlichen Vielfalt. Ein kleines Fenster in die Weite der Möglichkeiten gibt es jetzt im Nordhäuser Kunsthaus: am Abend eröffnete man die Ausstellung "Zeichen der Moderne" und gab einen Ausblick in das weitere Kunstjahr...


Auf den ersten Blick macht das Kunstwerk nicht viel her, nur wie ein paar aneinandergereihte graue Balken, keine Farbe, keine Figur, keine Geschichte oder Botschaft, die man hineininterpretieren könnte. Wer ein wenig länger hinsieht erkennt den Reiz des eigenwilligen Kunstwerkes. Tatsächlich sieht man Abstufungen von Grau, mit weiß unterlegt. Die Balken heben sich aus dem Bild heraus, geben dem ganzen Dreidimensionalität.

"Die Grafik wird aus der Fläche gehoben und das mit sehr unterschiedlichen Mitteln", sagt Susanne Hinsching, Leiterin des Kunsthauses, das mache aber nur einen Teil des Reizes der neuen Ausstellung aus, gerade das Abstrakte lasse auch viel Raum für Deutungsmöglichkeiten. Die neue Ausstellung, die man im Rahmen der Vergabe des 10. Grafikpreises der Ilse-Glock-Grabe-Stiftung am Abend eröffnete, zeigt viele grafische Techniken und Mischformen, von der klassischen, filigranen Bleistiftzeichnung bis zur Kombination von Prägedruck, Mezzotinto-Technik und Scherenschnitt. "In vielen Bildern kann man jeden Tag etwas anderes sehen, je nachdem wie die eigene Stimmungslage gerade ist", meint Kunsthausleiterin Hinsching.


Und nicht alles, was gezeigt wird, ist abstrakt. "Leichter" wird das künstlerische Werk dadurch nur bedingt. Die Frage nach dem "Was" und dem "Warum" drängt sich auch dann noch auf, wenn es figürlich wird, etwa in einer, den Zeichnungen früher wissenschaftlicher Dokumentationen nachempfunden Grafik, in der nicht nur Wildtiere sondern auch Opfer von Gewalt zu sehen sind. Einfach nur ein Seitenhieb auf mehr oder minder aktuelle Geschehnisse anderswo auf der Welt oder beißende Kritik am eigenen, oft eher monochromen Bild von anderen Ländern und Kontinenten?

Insgesamt präsentiert die Ausstellung 73 Werke aus der Hand von 17 verschiedenen Künstlern. Die Jury des Stiftungspreises wird bis zum 17. Februar Zeit haben, einen Gewinner zu küren. Die Übergabe des Preises der Ilse-Glock-Grabe Stiftung markiert gleichzeitig die Vernissage der Ausstellung, bei der alle Künstler anwesend sein werden. Insofern ist die jetzige Ausstellung noch keine richtige Eröffnung, eher ein "Preview", eine Vorschau, sagte Hinsching am Abend. Dabei verfolgen der Förderverein und sein Kunsthaus einen Hintergedanken: man will erstmals auch einen Publikumspreis in Höhe von 500 Euro ausloben. Dazu sind die Besucher der Ausstellung angehalten ihren Favoriten zu wählen. Neben dem Genuss der Kunst soll sich das auch für die Teilnehmer lohnen, der Förderverein des Kunsthauses verlost eine Jahreskarte sowie einen Katalog der aktuellen Ausstellung.

Und auch sonst will der Förderverein des umtriebigen Kunsthauses im neuen Jahr nicht kleckern. Einen neuen Stutzflügel will man dem Kunsthaus spendieren und so auch die Qualität der Konzertreihen und Ausstellungsveranstaltungen weiter erhöhen, kündigte der Vereinsvorsitzende, Dr. Wolfgang R. Pientka, an.

Man hat sich viel vorgenommen im Kunsthaus und will an die Erfolge der letzten beiden Jahre anknüpfen. So wird es auch diesen Herbst wieder eine besondere Ausstellung geben, welche einige der ganz großen Namen der Kunstgeschichte nach Nordhausen bringen wird. Ab dem 15. September präsentiert man in Zusammenarbeit mit der Stadtbibliothek die Ausstellung "Vom Buch zum Bild - Künstler sehen Literatur" wieder Werke aus der Hand von Giganten wie Picasso, Miro, Chagall, Matisse, Max Ernst und Max Beckmann. Mit ähnlichen Ausstellungen hatte das kleine Haus 2017 und 2016 über die Region hinaus auf sich aufmerksam gemacht und zahlreiche Kunstinteressierte locken können.

Im Sommer wird man mit die "Wachheit der Sinne" das Haus auch nach außen öffnen und neben Malereien, Grafiken und Papierkunstwerken im Gebäude auch Skulpturen im Park präsentieren. Ab dem 24. März wird man einen Blick auf den Tod in der Kunst werfen, "Der schöne Sensenmann"wird die Werke zeitgenössischer Künstler beleuchten, die sich mit Tod und Jenseits auseinandergesetzt haben.

Doch zuvor soll erst einmal das Publikum die Wahl haben, und die werde nicht einfach sein, meinte Dr. Pientka. Mit einem Glas in der Hand fiel sie den Gästen am Abend vielleicht etwas leichter. Der Worte wurden denn auch nicht zu viele gemacht, die Bilder sollten sprechen, mit einem Hoch auf die Kunst wurde die Kunstsaison im Südharz eingeläutet.
Angelo Glashagel