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So, 11:00 Uhr
24.09.2017
100 Jahre Theater Nordhausen

Kultur ist ein Überlebensmittel

Euphorische Höhen und nahezu vernichtende Tiefen, die kleine Stadt am Harzrand hat zwischen diesen beiden Polen alles durchgemacht was die letzten einhundert Jahre zu bieten hatten. Ihr Theater, von den Bürgern einst selbst errichtet, war da immer Anker- und Reibungspunkt, bis heute. Gestern wurden die Feierlichkeiten zum großen Jubiläum der Nordhäuser Bühne eingeläutet...

Festakt zum 100. Jahren Theater Nordhausen (Foto: Angelo Glashagel) Festakt zum 100. Jahren Theater Nordhausen (Foto: Angelo Glashagel)

Das Theater Nordhausen ist eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit. Da war man sich in Erfurt sicher, damals anno 1911. Eine Mittelstadt von 50.000 Einwohnern könnte kein eigenes Theater halten. 150.000 Mark hatten die Nordhäuser damals erbeten, um den Verlust des alten "Tivoli-Theaters" auszugleichen, dessen Betreiber Pleite gegangen war, man wurde nicht gehört.

Das Haus

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Und dennoch steht es heute da, das alte Haus. Es war nicht wie anderswo im Land der Adel der sich hier ein Denkmal gesetzt hat. Die Bürgerschaft war es die, wie es die Zeitung damals ausdrückte, "mit kühnem Wagemut", daran ging inmitten des ersten Weltkrieges ihre Bühne aufzubauen. Statt der veranschlagten 350.000 Mark kostete der Bau damals 680.000 Mark. Manche Dinge ändern sich nie.

Auch am Theater hat sich manches nicht geändert. Die "neueste Technik", mit der man das Haus 1917 ausstattete, findet sich bei einem Blick hinter die heutigen Kulissen hier und da immer noch. Die Generalsanierung sei überfällig, sagte gestern Abend Bürgermeisterin Jutta Krauth, das Theater Nordhausen habe das verdient wie kein zweites Haus im Freistaat. "Kultur ist ein Überlebensmittel und unverzichtbar für das Gemeinwesen", sagte Krauth, "denen die das Haus durch schwere Stürme hindurch auf Kurs gehalten haben, ihnen allen gebührt unser Respekt und unser Dank".

Thüringens Kulturminister Dr. Benjamin-Immanuell Hoff: das Feld ist bestellt (Foto: Angelo Glashagel) Thüringens Kulturminister Dr. Benjamin-Immanuell Hoff: das Feld ist bestellt (Foto: Angelo Glashagel)

Der Minister

Einhundert Jahre später scheint man auch in Erfurt Gehör gefunden zu haben, auch wenn es lange gedauert hat. Die Finanzierung von Theater und Loh-Orchester steht für die nächsten acht Jahre und auch die Sanierung scheint so gut wie sicher. An den positivien Signalen aus Erfurt maßgeblich beteiligt war Thüringens Kulturminister Benjamin-Immanuel Hoff.

Das Theater könne "magische Momente" schaffen, andere Momente, die den Lauf der Zeit durchbrechen, Optimismus geben, Normalität herstellen, über Diskurs Versöhnung bringen, führte der Minister aus. Das europäische Theater Fuße auf einer Tradition der Liebe und der Humanität und könne seine Wurzeln wie kaum eine andere kulturelle Institution bis in die Antike zurückverfolgen.

Die "finanzielle Einbahnstraße nach unten" der Vergangenheit sei keine Selbstverständlichkeit gewesen, sondern Ausdruck eines neoliberalen Diskurses, der in der Kultur kein Grundbedürfniss sehe. Hoff drückt das Argument auch deutlicher aus: wenn es sich nicht von allein finanziert, ist es keine gute Kunst. Er sehe in der Kultur auch eine "Aufgabe der gemeinsamen Daseinsvorsorge", ein Theater könne ein Art "Stadtwerk mit kultureller Energie" sein und müsse öffentlich bleiben.

In Zukunft werde man sich überlegen müssen wie man eine neue Generation ansprechen wolle, die nicht von Haus aus mit der Erfahrung von Theater aufwachse. Es brauche neue Ideen und neue Herausforderungen, Grund für Endzeitstimmung bestehe nicht. "Wir haben das Feld bestellt in dem sich das Theater in den nächsten 100 Jahren bewegen kann", sagte Hoff.

Hubert Eckart: geben Sie dem Haus das Schauspiel zurück (Foto: Angelo Glashagel) Hubert Eckart: geben Sie dem Haus das Schauspiel zurück (Foto: Angelo Glashagel)

Die Intendanten

Tiefpunkte erlebte das Theater auch zwischen den Kriegen. Die Wende war so eine Zeit großer Ungewissheit. "Es war eine hoch-emotionale Zeit wie es sie in meinen Theaterleben nie wieder gegeben hat", erzählte Hubert Eckart, Intendant von 1990 bis 1994. Schon '89 habe man über die "Abschaffung der Bevormundung" diskutiert, "wir konnten uns also nicht beschweren als uns dann keiner half". Manchmal habe man nicht gewusst woher man das Geld für das Ensemble nehmen sollte. Man versuchte dennoch das Haus auf Vordermann zu bringen, baute die ganz alte Technik aus und griff selber zu Farbe und Pinsel.

Zwei Wünsche hatte Eckart für die Zukunft: "Erstens: sanieren Sie das Haus so, das es dem 21. Jahrhundert würdig ist und schaffen Sie gute und sichere Arbeitsplätze. Zweitens: wenn Sie die Generalsanierung durchgeführt und den Flächentarif wieder eingeführt haben, dann geben Sie dem Haus die Schauspielsparte zurück". Applaus, donnernd und lang anhaltend.

Prof. Dr. Dr. Christoph Nix: wir sind der Schmerz und nicht der Arzt (Foto: Angelo Glashagel) Prof. Dr. Dr. Christoph Nix: wir sind der Schmerz und nicht der Arzt (Foto: Angelo Glashagel)

Auf Eckart folgte Christoph Nix, der Querkopf. Bis 1999 leitete er das Nordhäuser Theater, eckte immer wieder an, in der Politik wie auch beim Publikum. Seine Präsenz hat er nicht verloren, ein Mikrofon hätte Nix gestern Abend in jedem Fall nicht gebraucht, der Kulturrebell untermalte sein Grußwort mit poetischen Fluss. Das Theater sei "der Schmerz und nicht der Arzt", sei immer flüchtig wie der Applaus der letzten Vorstellung. Und dennoch könne immer "Licht sein im Theater", eine Anspielung auf seine Zeit am Haus. Intendanten müssten "ärgern", meinte Nix, in einem Punkt aber, da habe er auch versöhnt: mit seinem Nachfolger, Lars Tietje.

Der gab den Posten erst vor einem Jahr an den neuen Intendanten Daniel Klajner, den "diplomatischen Schweizer" (Nix) ab. Es fühle sich gut an wieder hier zu sein, sagte Tietje, der Empfang mache Mut, das Nordhäuser Theater sei etwas besonderes eben weil es in Deutschland vor allem Residenztheater und kaum von der Bürgerschaft getragene Häuser gebe.

Das Publikum

Auf ihre Weise gehören auch die Eheleute Sourell dazu. Seit 70 Jahren besuchen sie das Theater, ein Jahresabonnement besitzen sie seit 60 Jahren. Frau Sourell stand schon als kleines Mädchen auf der Bühne, beim Kinderballett, erzählt sie. Das Theater sei für die Sourells auch immer Hoffnung gewesen, in allen Zeiten. Heute sei man stolz auf das hochwertige Ensemble des Hauses. Ein Wunsch: wenn "die Millionen fließen", dann wäre ein Parkhaus am Theater eine schöne Ergänzung. Ein Geschenk: zwei Theatermasken aus tiefster DDR Zeit, als kleine Ergänzung für die Ausstellung, die ab Dienstag in der Flohburg zu sehen sein wird.

Eheleute Sourell: das Theater war immer auch Hoffnung (Foto: Angelo Glashagel) Eheleute Sourell: das Theater war immer auch Hoffnung (Foto: Angelo Glashagel)

Der Verein

Zu guter Letzt betrat Barbara Rinke die Bühne, als Vorsitzende des Fördervereins. Das Theater sei aus drei Gründen schön, sagte die ehemalige Oberbürgermeisterin. Da sei die "schlichte Eleganz" des Gebäudes, die innere Schönheit eines Hauses voller Leben und die profane Schönheit, als Bürger der Stadt ein eigenes Haus zu haben. In diesem Sinne sei der Abend auch eine Art "Eigentümerversammlung". Eigentum bedeute aber auch Verantwortung. Man werde das Theater weiter nach Kräften ideell und materiell unterstützen, sagte Rinke und hofft in de Festwoche auf viele neue Mitglieder im Förderverein.

Die Kunst

Unterbrochen wurde der Reigen der Reden und Glückwünsche natürlich immer wieder von dem, was Theater und Loh-Orchester ausmachen: Musik, Tanz und Gesang. Das Orchester spielte Beethoven, Dvorak und Tschaikowsky, begleitet von Sopranistin Leonor Amaral und der Ballettkompanie des Hauses.


Den offiziellen Teil der Feierlichkeiten, die obligatorischen Huldigungen an Unterstützer und Geldgeber hat man mit dem gestrigen Abend hinter sich gebracht. Die kommende Woche soll denen gewidmet werden, die das Haus aufgebaut und am Leben gehalten haben: dem Publikum. Heute Nachmittag eröffnet man die Festwoche mit dem Thetaterfest vor und im Haus, frei und kostenlos für alle Besucher. "Sie werden so ziemlich alle Ecken des Theaters erkunden können, vor und hinter der Bühne", kündigte am Abend Intendant Daniel Klajner an. Dazu gibt es kulinarische Spezialitäten, Walking Acts und ein buntes Musikprogramm. Um 15 Uhr eröffnet das Loh-Orchester unter Leitung von Michael Helmrath den Tag. Um 16 Uhr spielt die Little Big Band des Carl-Schroeder-Konservatorium Sondershausen auf. Am Abend kommt Kai Tietje zurück und leitet ab 19 Uhr das Jubiläumskonzert "Classic meets Pop" unter dem Motto auf "All You Need Is Love".
Angelo Glashagel
Autor: red

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