Mo, 12:15 Uhr
26.06.2017
Harzer Schmalspurbahnen gehen die Heizer aus
Nicht genug Feuer unterm Kessel?
Schnaufende Züge die sich durch grüne Felsentäler schieben - die Dampflok gehört zum Harz. Mehr als 630.000 Fahrgäste beförderte allein die Brockenbahn im vorigen Jahr, ein Tourismusmagnet, keine Frage, aber wie lange noch? Der Harzer Schmalspurbahnen gehen die Lokführer aus, der Betriebsrat schlägt Alarm...
Lok-Führer zählte zu den Berufszielen unserer Großväter, als sie in die Schule kamen. Vor achtzig Jahren ging von der Eisenbahn noch eine besondere Faszination aus, die sich auf die Spielzeug-Bahn übertrug – ob zum Aufziehen oder schon als elektrische von Märklin.
Die Schienen durften zu Weihnachten oder zum Geburtstag in der Guten Stube aufgebaut werden. Und der Wellensittich drehte manche Runde auf dem Zuge mit. Im Harz fehlen Heizer, alarmierte jetzt eine überregionale Tageszeitung die heimische Tourismus-Wirtschaft. Zwar ersetzt die Harzer Schmalspurbahnen GmbH (HSB) immer mehr Dampfzüge durch Omnibusse, aber der Verkehr mit schnaufenden Loks gehört zum traditionsreichen Geschäftsmodell, ob auf der Strecke von Nordhausen nach Wernigerode oder hinauf auf den Brocken, den mit 1141 Metern höchsten Gipfel des Harzes.
Die Bedienung des Dampfkessels auf rostgefeuerten Dampflokomotiven steht in der Stellenausschreibung an erster Stelle. Zu den Aufgaben des Lok-Heizers gehören auch Pflege-, Wartungs- und Abölarbeiten. Um falsche Illusionen gar nicht erst aufkommen zu lassen, wird auf körperlich schwere, schmutzintensive Arbeit hingewiesen. An diesem feurigen Arbeitsplatz kommt es zu wechselnden klimatischen Verhältnissen. Weil Dampflok-Heizer auf dem Arbeitsmarkt heute eine Rarität sind, könnte die Personallücke bei der Harzquerbahn wohl am ehesten durch Abwerbung bei anderen Dampfbahnen geschlossen werden. Als erfolgreiches Beispiel dient der HSB-Sprecher Dirk Bahnsen. Bevor er in den Harz kam, setzte er auf Rügen den berühmten Rasenden Roland unter Volldampf. Um den Normalbetrieb zu gewährleisten, müssen sechs offene Stellen besetzt werden.
Für den Harz-Tourismus spielen die Schmalspurbahnen eine bedeutende Rolle. Das unterstrichen der Verkehrsminister Sachsen-Anhalts, Thomas Webel, und der thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow im vergangenen Herbst, als mit einer Sonderfahrt der 25. Jahrestag der Wiederaufnahme des Brocken-Verkehrs gefeiert wurde. Bis zum Ende der DDR lag der Blocksberg im Sperrgebiet an der innerdeutschen Grenze.
Knapp eine Million Fahrgäste waren im vorigen Jahr auf den 140 km Strecken der HSB unterwegs: Führend die Brocken-Bahn mit 633 000 Passagieren, gefolgt von 258 000 auf der Nord-Süd-Verbindung der Harzquerbahn sowie 94 000 auf der Selketalbahn. Nunmehr sieht sich die Geschäftsleitung gezwungen, im Bereich der Selketalbahn einige Strecken von der Schiene auf Busverkehr umzustellen. Für den Harz-Tourismus wäre das ein Imageschaden. Wir fordern die Geschäftsführung schon seit langem auf, etwas gegen den drohenden Personalmangel zu tun, aber es geschieht nichts, erklärte Hans-Werner Pape, Vorsitzender des Betriebsrates. Das schlechte Betriebsklima, die zunehmende Arbeitsbelastung, aber auch sinkende Fahrgastzahlen sind für uns alarmierende Anzeichen, um endlich umzusteuern. Die HSB erzielte 2016 noch einen Umsatz von rund 13 Millionen €.
Mit Beginn des Sommerfahrplanes am 29. April begannen die Einschränkungen: Statt mit Dampf- oder Dieselloks wird etwa ein Drittel der Strecken der Selke-talbahn mit Bussen betrieben. Zwar gelten die Dampfloks als technische Dinosaurier, aber das moderne Kollisions-Warnsystem sei so innovativ wie im AirBus der Lufthansa. Übrigens, Bewerber können in zwei Monaten in Wernigerode zum Heizer ausgebildet werden. Das Unternehmen, bei dem 250 Mitarbeiter beschäftigt sind (hundert im Betriebsdienst als Lok-Führer, Heizer und Schaffner), fährt ein jährliches Defizit von 40 Prozent ein. Es gehr zu Lasten der Länder Sachsen-Anhalt und Thüringen sowie der kommunalen Gesellschafter. Mit 27 € für die einfache Brocken-Fahrt ist die Preis-Skala schon ausgereizt. Für die 19 km lange Strecke benötigt der Dampfzug eine gute Stunde.
Wer seine Kindheit in der Nähe des Harzquerbahnhofs – heute Nordhausen-Nord – verbrachte, erinnert sich noch an den Streit unter Jungen, wer die Nr. 21 sein durfte, damals die modernste Lok. Beim Verkehr um den Häuserblock mussten die anderen mit den Nummern Elf aufwärts herumrennen. Zwei oder drei Ziffern fehlten in der Aufzählung. Auf die Frage, weshalb es eine Lücke gebe, wurde damals in der Nazi-Zeit allen Ernstes erwidert: Die haben die Juden gestohlen.
Martin Roland
Autor: redLok-Führer zählte zu den Berufszielen unserer Großväter, als sie in die Schule kamen. Vor achtzig Jahren ging von der Eisenbahn noch eine besondere Faszination aus, die sich auf die Spielzeug-Bahn übertrug – ob zum Aufziehen oder schon als elektrische von Märklin.
Die Schienen durften zu Weihnachten oder zum Geburtstag in der Guten Stube aufgebaut werden. Und der Wellensittich drehte manche Runde auf dem Zuge mit. Im Harz fehlen Heizer, alarmierte jetzt eine überregionale Tageszeitung die heimische Tourismus-Wirtschaft. Zwar ersetzt die Harzer Schmalspurbahnen GmbH (HSB) immer mehr Dampfzüge durch Omnibusse, aber der Verkehr mit schnaufenden Loks gehört zum traditionsreichen Geschäftsmodell, ob auf der Strecke von Nordhausen nach Wernigerode oder hinauf auf den Brocken, den mit 1141 Metern höchsten Gipfel des Harzes.
Die Bedienung des Dampfkessels auf rostgefeuerten Dampflokomotiven steht in der Stellenausschreibung an erster Stelle. Zu den Aufgaben des Lok-Heizers gehören auch Pflege-, Wartungs- und Abölarbeiten. Um falsche Illusionen gar nicht erst aufkommen zu lassen, wird auf körperlich schwere, schmutzintensive Arbeit hingewiesen. An diesem feurigen Arbeitsplatz kommt es zu wechselnden klimatischen Verhältnissen. Weil Dampflok-Heizer auf dem Arbeitsmarkt heute eine Rarität sind, könnte die Personallücke bei der Harzquerbahn wohl am ehesten durch Abwerbung bei anderen Dampfbahnen geschlossen werden. Als erfolgreiches Beispiel dient der HSB-Sprecher Dirk Bahnsen. Bevor er in den Harz kam, setzte er auf Rügen den berühmten Rasenden Roland unter Volldampf. Um den Normalbetrieb zu gewährleisten, müssen sechs offene Stellen besetzt werden.
Für den Harz-Tourismus spielen die Schmalspurbahnen eine bedeutende Rolle. Das unterstrichen der Verkehrsminister Sachsen-Anhalts, Thomas Webel, und der thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow im vergangenen Herbst, als mit einer Sonderfahrt der 25. Jahrestag der Wiederaufnahme des Brocken-Verkehrs gefeiert wurde. Bis zum Ende der DDR lag der Blocksberg im Sperrgebiet an der innerdeutschen Grenze.
Knapp eine Million Fahrgäste waren im vorigen Jahr auf den 140 km Strecken der HSB unterwegs: Führend die Brocken-Bahn mit 633 000 Passagieren, gefolgt von 258 000 auf der Nord-Süd-Verbindung der Harzquerbahn sowie 94 000 auf der Selketalbahn. Nunmehr sieht sich die Geschäftsleitung gezwungen, im Bereich der Selketalbahn einige Strecken von der Schiene auf Busverkehr umzustellen. Für den Harz-Tourismus wäre das ein Imageschaden. Wir fordern die Geschäftsführung schon seit langem auf, etwas gegen den drohenden Personalmangel zu tun, aber es geschieht nichts, erklärte Hans-Werner Pape, Vorsitzender des Betriebsrates. Das schlechte Betriebsklima, die zunehmende Arbeitsbelastung, aber auch sinkende Fahrgastzahlen sind für uns alarmierende Anzeichen, um endlich umzusteuern. Die HSB erzielte 2016 noch einen Umsatz von rund 13 Millionen €.
Mit Beginn des Sommerfahrplanes am 29. April begannen die Einschränkungen: Statt mit Dampf- oder Dieselloks wird etwa ein Drittel der Strecken der Selke-talbahn mit Bussen betrieben. Zwar gelten die Dampfloks als technische Dinosaurier, aber das moderne Kollisions-Warnsystem sei so innovativ wie im AirBus der Lufthansa. Übrigens, Bewerber können in zwei Monaten in Wernigerode zum Heizer ausgebildet werden. Das Unternehmen, bei dem 250 Mitarbeiter beschäftigt sind (hundert im Betriebsdienst als Lok-Führer, Heizer und Schaffner), fährt ein jährliches Defizit von 40 Prozent ein. Es gehr zu Lasten der Länder Sachsen-Anhalt und Thüringen sowie der kommunalen Gesellschafter. Mit 27 € für die einfache Brocken-Fahrt ist die Preis-Skala schon ausgereizt. Für die 19 km lange Strecke benötigt der Dampfzug eine gute Stunde.
Wer seine Kindheit in der Nähe des Harzquerbahnhofs – heute Nordhausen-Nord – verbrachte, erinnert sich noch an den Streit unter Jungen, wer die Nr. 21 sein durfte, damals die modernste Lok. Beim Verkehr um den Häuserblock mussten die anderen mit den Nummern Elf aufwärts herumrennen. Zwei oder drei Ziffern fehlten in der Aufzählung. Auf die Frage, weshalb es eine Lücke gebe, wurde damals in der Nazi-Zeit allen Ernstes erwidert: Die haben die Juden gestohlen.
Martin Roland
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