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Di, 10:40 Uhr
23.05.2017
Lesermeinung

Und drin bist du?

Neun junge Schauspieler bewältigen einen Stoff, der von der Gesellschaft gern stigmatisiert wird. Der Theaterjugendclub hat sich in seinem neuesten Stück mit Depression und Selbstverletzung auseinandergesetzt. Kurzweilig und berührend sei das Ergebnis, meint nnz-Leser MIchael Stoff...

Im Vorfeld hieß es „Wieder so ein Problemstück von dem Winter“, aber mit dem Thema „Depression, Borderline und selbstverletzendes Verhalten“ traut sich Jugendclub-Regisseur Ronald Winter an ein Tabu heran, welches dringend im Fokus der Gesellschaft bleiben sollte.

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Mit fortschreitender, immer größer werdender Geschwindigkeit des medialen und industriellen Fortschritts werden auch die Menschen immer schneller an ihre Grenzen stoßen, und Schlagworte wie Depression, selbstverletzendes Verhalten und das Borderlinesyndrom werden wahrscheinlich immer häufiger im Sprachgebrauch der heutigen Menschen genutzt werden. Deshalb ist das Bühnenstück von Ronald Winter, in dieser Zeit einer ganzen Generation junger Menschen unter Druck, so wichtig.

Die Handlung von „…und drin bist du“ findet im Aufenthaltsraum einer stationären psychiatrischen Klinik statt. Neuzugang Sissy – „Sissy, wie die Kaiserin, nur anders geschrieben“ und sehr überzeugend gespielt von Alina Ruß, trifft auf ein sich miteinander arrangiertes Kollektiv von Patientinnen, ebenfalls alle gespielt von jungen Damen des Theaterjugendklubs. Sie muss sich nun ohne jeglichen Zeitverzug in dieses integrieren.
In diesem Rondell verschiedener Charaktere haben wir die klavierspielende, scheinbar stumme Mona, präsent gespielt von Elisabeth Charlotte Stritzel. Maria, gespielt von Martha Hoppe, die sich als junges Mädchen offenbar mit Benzin übergoss und anzündete – doch das ist nur eine mögliche Variante der Geschichte, erzählt von Johanna, der notorischen Lügnerin, gespielt von Kaja Hesse. Die manipulative Lisbeth, die sich mit dem Messer ritzt und dann die Verletzung unter ihrem Lederarmband versteckt, wird sehr gut von Lea Tabatt dargestellt. Diana, deren allgemeine Appetitlosigkeit nur das offensichtliche Problem ist, unter dem aber noch etwas ganz anderes brodelt, wird gespielt von Nele Strehler.

Im Theater Nordhausen werden Jugendthemen ebenso ernstgenommen wie das Heranführen der Theaterjugend an das Theaterspielen. So steht neben dem Theaterjugendklub auch die Theaterpädagogin Daniele Bethge mit auf der Bühne und kommt in der Rolle der Schwester Verena sehr authentisch herüber. Denn genauso wichtig wie die Rollen der Patientinnen sind natürlich deren Gegenüber: die resolute Schwester Verena (Daniela Bethge), der schüchterne Pfleger Tom (Robin Köster) und die noch unsichere Schwesternschülerin Connie (Jessica Beckert). Nur so lässt sich das Miteinander in so einer Einrichtung auch glaubhaft darstellen.

Es gelingt Ronald Winter sehr gut, mit seinem schmalen Budget für dieses Stück einen glaubwürdigen Bühnenraum zu schaffen. Zusätzlich hat er sich für die notwendigen Umbauten eine chronologisch verlaufende Videodokumentation des Therapieprozesses Sissys einfallen lassen, der sich über ein Jahr erstreckt. Gezeigt wird dies auch durch die Kostümwechsel (Kathrin Frech).

All dies zusammen, sehr spannend inszeniert, sorgt dafür, dass dieses Stück in den 90 Minuten äußerst kurzweilig den Zuschauer in seinem tiefsten Innern berührt und die Frage aufwirft, ob man nicht eigentlich schon selbst mit in diese Anstalt gehört. Ein kurzer Blick über den großen Teich belehrt einen, dass die Zeit der Verrückten wohl schon angebrochen ist.

Alle bisherigen Vorstellungen waren ausverkauft – so auch diese letzte. Vielfach war der Wunsch zu hören, das Stück möge noch weitere Male gespielt werden: denn der Besuch lohnte sich allemal – nicht nur für Jugendliche.
Michael Stoff
Autor: red

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