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Mo, 10:50 Uhr
16.01.2017
Eine Kulturgeschichte der Gewalt

Salome, das Weib

Es gibt Geschichten, manchmal nicht vielmehr als Szenen, welche die Vorstellungskraft des Menschen immer wieder fesseln, über Jahrhunderte hinweg. Jede Zeit findet ihre Interpretation, ihre Darstellung des gleichen Themas. Über eine dieser Geschichten sprach man gestern im Kunsthaus - Salome, das Weib, die "femme fatale", die den Kopf eines Propheten verlangt...

Éder Gyula (1875-1945) - Salome mit dem Kopf Johannes des Täufers, 1907 (Foto: Sascha Mauel) Éder Gyula (1875-1945) - Salome mit dem Kopf Johannes des Täufers, 1907 (Foto: Sascha Mauel)

Würde Herodes der Große heute gefragt wie seine Familienverhältnisse aussehen, er würde wahrscheinlich eine längere Powerpoint-Präsentation vorbereiten. Judäa zur Zeit Christi kannte viele "heilige Männer" und Kulte die sich anschickten selbst Religion zu werden, darunter auch das entstehende Christentum. Nun weiß man wie die Geschichte ausgeht, die jüdische Sekte wird zur Weltreligion, ihre heilige Schrift zu einem der erfolgreichsten, wenn nicht gar zu dem erfolgreichsten Buch der (westlichen) Welt. Unsere Kulturgeschichte wäre eine andere, gäbe es die Bibel und ihre Erzählungen nicht.

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Eine der bekanntesten ist die Geschichte vom Tod Johannes des Täufers. Salome, die Enkelin des alten Herodes, verlangt auf betreiben ihrer Mutter Herodias den Kopf des Heiligen von ihrem Stiefvater Herodes Antipas. Klick, die nächste Folie bitte. Der Herrscher weigert sich den Johannes zu töten, Salome lässt ihren sieben Schleier in aufreizendem Tanz fallen und Herodes verspricht ihr jeden Wunsch zu erfüllen. Das Ergebnis - der Mann der Jesus getauft haben soll verliert seinen Kopf und Salome präsentiert die grausige Trophäe ihrer Mutter.

Soviel zur grundsätzlichen Erzählung. Die biblische Episode mit historischen Hintergrund hat ganze Generationen an Künstlern in ihren Bann gezogen. Immer wieder wurde das Thema in Kunst, Literatur und Musik verarbeitet, von der frühen Buchmalerei bis in die Zeiten der Moderne.

Salome in Kunst, Literatur und Musik - am Sonntag wurde im Nordhäuser Kunsthaus diskutiert (Foto: Angelo Glashagel) Salome in Kunst, Literatur und Musik - am Sonntag wurde im Nordhäuser Kunsthaus diskutiert (Foto: Angelo Glashagel)

Am kommenden Freitag wird man in Nordhausen diesem umfangreichen Kanon einen weiteren Eintrag hinzufügen - für das Theater inszeniert Annette Leistenschneider "Salome", die Oper mit der Richard Strauß das erste mal für Aufsehen sorgen sollte. Im Kunsthaus sprachen am Sonntag Theaterintendant Daniel Klajner, Kunsthausleiterin Susanne Hinsching, Annette Leistenschneider, Superintendent Andreas Schwarze und der bibliophile Buchhändler Dietrich Rose über das Bild der Salome in Kunst, Kultur und Literatur.

Die Bibel ist auch historisches Dokument, eines das mit Vorsicht zu genießen ist. Die Geschichte der Salome taucht in Auszügen und unter anderen Vorzeichen auch in den Arbeiten des Flavius Josephus, eines römischen Geschichtsschreibers auf, der Zeitzeuge war. Kulturgeschichtlich aber hat die biblische Erzählung den größeren Einfluss. Die frühen Schreiber und Künstler stellen die gesamte Geschichte zum Teil auf einer Seite da. Der Tanz, die Enthauptung, die Übergabe des Kopfes an die Mutter der Salome. Aus Sicht des Theologen gehe es vor allem um die Wirkungsgeschichte des Täufers, weniger um die Beziehung zwischen Mann und Frau. Die Position der Frau war für die frühen Christen klar definiert - "alles schlechte kam mit der Frau in die Welt", soll der Täufer, der seinen Kopf dank zweier Frauen verlieren wird, gesagt haben. Die Episode selbst drehe sich aber mehr um das Leben am Hof und die Dekadenz, die Johannes anprangert. "Herodias will ihre Ruhe haben", erklärte Andreas Schwarze, Johannes stört diese Ruhe. Zum Politikum wird die Salome während der Reformation, die "verwöhnte Prinzessin" dient als Spiegelfläche für die Kritik an den herrschenden Verhältnissen.

Die Renaissance, geprägt von allerlei biblischen Motiven, geht näher an ihr Thema heran. Was Rang und Namen hat in der italienischen Malerei befasst sich mit dem Stoff. Salome rückt stärker als bisher in den Vordergrund, berichtet Susanne Hinsching. In der niederländischen und deutschen Malerei ist die Enthauptung des Johannes, detailreich und blutig, häufiger Thema. "Das Blut scheint beinah aus dem Bild zu fließen", sagt Hinsching. Das 19. udn 20. Jahrhundert, welche die zarten Anfänge der Emanzipation mit sich bringt, rückt Salome endgültig in den Fokus der Aufmerksamkeit, wird zum erotischen Symbol. Aus dem Mädchen wird die ungebundene Frau, ihre Brüste entblößt, aus dem Tod des Johannes die männliche Angst vor der entfesselten Frau.

Salome in Kunst, Literatur und Musik - am Sonntag wurde im Nordhäuser Kunsthaus diskutiert (Foto: Angelo Glashagel) Salome in Kunst, Literatur und Musik - am Sonntag wurde im Nordhäuser Kunsthaus diskutiert (Foto: Angelo Glashagel)

Und dann ist da Oscar Wilde. "Mit Witz und Arroganz" habe sich der englische Schriftsteller des Stoffes bemächtigt, erklärt Dietrich Rose. Aus biblischer Moralgeschichte entwickelt Wilde seine Kritik an Priestertum und Kirche. Salome ist das verzogene Gör, der jeder Wunsch erfüllt wird, die Mutter Herodias zur geifernden Alten, der Täufer zum unverbesserlichen Fanatiker, "ein Taliban, der keinen Dialog zulässt, unbeweglich ist", sagt Intendant Klajner.

Auf dem Werk Wildes baut Strauß auf, dessen Oper demnächst auf der Nordhäuser Bühne zu sehen sein wird. "Gewaltig und filigran" sei die Musik, äußerst anspruchsvoll für die Sänger und, wie alles im Stück, gewaltig. Gewaltig in ihren Tönen, gewaltig in ihrem Bühnebild, dem übergroßen Orchester, Gewaltig und gewalttätig in ihrem Stoff, so Anette Leistenschneider.

Intrige, Verführung und Verlangen, Gewalt und Gier sind die Zutaten einer Erzählung, die wohl aus eben jenen Gründen auch nach 2000 Jahren und im goldenen Zeitalter des Säkularismus noch auf Interesse stößt. Das Kunsthaus jedenfalls war am Sonntag bis auf den letzten Platz besetzt. Wer selber sehen will wie man die Salome, ihren Tanz und ihre blutiges Verlangen im 21. Jahrhundert darstellt, der wird die Strauß Oper ab Freitag, 19:30 Uhr im Nordhäuser Theater sehen können.
Angelo Glashagel
Autor: red

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