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Do, 15:42 Uhr
11.02.2016
MILLIONEN IN DEN SAND GESETZT

Ein Nachwende-Leuchtturm fällt

Erst kürzlich schrieben wir den Nachruf über das zu DDR-Zeiten Vorzeigeobjekt Kaffeefabrik Drei Streif in Nordhausen. Heute folgt ein Nachruf über einen Betrieb, der erst nach der Wende neu entstand und ein weithin gelobtes Prestigeobjekt für den Aufbau Ost darstellte...

Da bleibt am Ende nur die Erinnerung (Foto: S. Schedwill) Da bleibt am Ende nur die Erinnerung (Foto: S. Schedwill)
Niedersachswerfen. Der Prachtbau südlich der Gemeinde machte was her. Weithin dominierte er die Landschaft. Jahrelang. Jetzt haben seine letzten Stunden geschlagen. Der Koloss des Kohnsteins, wie man ihn auch nannte, wird abgerissen. Das ehemalige Gipswerk ist nur noch Geschichte.

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War das ein Empfang. Der Autor dieses Artikels erinnert sich: Herzlich hatte ihn Helmut Wildgruber begrüßt. Der Bayer war der neue Chef des Gipswerkes nach der Wende geworden. Festlich hatte er die große Halle zur Einweihung des Werkes hergerichtet. Geschmückt mit Girlanden. Eine Bühne fiel ins Auge. Wildgruber hatte weder Mühe noch Kosten gescheut und auch für eine Blaskapelle gesorgt. Flott spielte die auf. Prominenz aus Politik und Wirtschaft gab sich ein Stelldichein.

Helmut Wildgruber war eine stattliche Erscheinung. Groß und kräftig. Schultern breit wie ein Scheunentor. „Fragen sie nur, was sie alles wissen wollen“, lud er den Presse-Berichterstatter neben all der Prominenz mit an seinen Tisch und bestellte für ihn sogleich einen Bier-Humpen. Der Bayer kam ins Schwärmen:


„Sehen sie sich um. Sie werden staunen, was wir alles auf die Beine stellten“, klingt es noch heute in den Ohren seines Gegenübers. Um alsdann zu betonen, dass er den Betrieb erhalte und – im bayerischen Dialekt – für viele Leit Arbeitsplätze schaffe. Na, Sorgen habe er nicht für die Zukunft. Seine Laudatio, die er vor seinen Gästen hielt, hörte sich wie blühende Landschaften an.

Um die 800 Leute beschäftigte das Gipswerk zu DDR-Zeiten. Wildgruber hatte an die 300 übernommen. Über Mangel an Aufträgen konnte er sich nicht beschweren. Im Gegenteil. Der Betrieb lief wie ein Uhrwerk. Dann kam das bittere Erwachen. Eine Gläubiger Bank stellte den Antrag auf Insolvenz. Obwohl Helmut Wildgruber mit erheblichen Fördergeldern aus den Aufbau Ost investierte, hatte er sich dennoch verzockt, den Mund zu voll genommen, den Gläubiger letztlich nicht mehr bedienen können.

Rückblick: 70 Millionen Mark an Fördermitteln hatte das Land Thüringen in das Werk gesteckt. Weitere 19 Millionen an Investitionen flossen in die Kohnstein-Brücke. Was wurde aus der Insolvenzmasse? Jörg Schanow, Leiter der juristischen Abteilung im Hauptsitz Iphofen der Knauf Deutsche Gipswerke KG, betonte schon 2003 gegenüber einer Tageszeitung, dass die für vier Millionen Euro erworbenen Ausrüstungen und Aggregate zunächst auf dem Wico-Gelände lagerten. Keineswegs, hob er hervor, habe man die teuren Maschinen und Anlagen aus der Insolvenzmasse für ein neues Knauf-Werk in die Ukraine gebracht.

Der Knauf-Konzern, hieß es seinerzeit, habe gute Voraussetzungen, der Wildgruber-Hinterlassenschaft neues Leben einzuhauchen. Man werde prüfen, wie verfahren werden könne, meinte Jurist Schanow. Die Rechnung aber müsse für das Unternehmen stimmen. Sie stimmte nicht. Eine Übernahme rechnete sich nicht. Knauf besitzt zwar das Gipswerk, braucht es aber neben der Fabrik in Rottleberode nicht. Der einstige Nachwende-Leuchtturm fällt. Um der Gemeinde Harztor, sagt Werkleiter Andre Materlik aus Rottleberode, Entwicklungsflächen zur Verfügung zu stellen.

Die Kohnstein Bergwerks GmbH beschäftigt sich indes nach wie vor mit Anhydrit, baut ihn ab und fährt ihn weg. Der jetzige Geschäftsführer Webersberger hätte die Wildgruber-Insolvenz auch gut gebrauchen können.
Kurt Frank
Autor: red

Kommentare
Iffland
11.02.2016, 21.46 Uhr
Gipsfabrik | geschichtlicher Rückblick
Ein schöner Beitrag. So hat man noch einmal alle Zahlen auf einen Blick. Gleich abgeheftet.
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