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Fr, 08:00 Uhr
01.01.2016
Wortklaubereien. Heute: Trocken bis sauer

Silvesterwein von der Küste

Warum nicht mal eine gute Flasche Wein? Das sagte sich Rentnerin F. H.-H., als sie auf der Rückseite der Fernsehzeitung, die allwöchentlich ihrer Tageszeitung kostenlos beiliegt, eine Werbung für „erlesene französische Weine“ fand.

Rund sieben statt 14 Euro sollte die Flasche Bordeaux kosten. Gedacht, getan: Frau H.-H. bestellte sechs Flaschen Rotwein in der Stadt, dessen Name dasselbe Kürzel trägt, wie sie selbst: HH.

Der hanseatische Weinhändler lieferte die bestellten drei Flaschen Tormaresca Primitivo Puglia IGT und dieselbe Menge Réserva Spéciale Rothschild (Lafite) Bordeaux roug Bordeaux AOP Domaines Barons de Rothschild (Lafite). Wie bitte? Nein, Sie haben keinen Schwips, die Namen der Weine sind tatsächlich so lang. Ja, Sie haben recht, allein vom Lesen solcher Namen kann man schon besoffen werden…

Der Lieferung lag sogar noch eine kleine Überraschung in Form eines Tropfenfängers bei. Wirklich nett. Doch entscheidend war der Wein. Genießerin H.-H. kostete und befand: Trocken, lecker und beschwipst nicht (Letzteres könnte aber auch damit zu tun haben, dass sie nie mehr als ein Glas trinkt). Sie meinte: Davon könnte man sich doch noch ein paar Flaschen hinstellen - und bestellte einen weiteren Karton in HH.

Statt der Bestellung erreichte die Frau zunächst aber erst einmal ein Anruf. Mit tiefstem Bedauern wurde erklärt, dass die Werbeaktion inzwischen ausgelaufen sei und der Wein daher ein paar Cent mehr kosten würde. Dieser besonders gute Tropfen allerdings rechtfertige ja wohl nahezu jeden Preis der Welt.

Naja, dachte – und sagte - die Bestellerin aus dem Mansfelder Land, das leisten wir uns einfach mal, so oft kommt das ja auch wieder nicht vor, und im Übrigen: Was sind schon sechs Flaschen? Gedacht, gesagt, getan: Frau H.-H. bestellte den ein paar Cent teurer gewordenen Rotwein in HH.

Der Karton folgte eine Woche später. Eine Überraschung gab es auch dazu, aber diesmal nicht in Form eines Geschenkes: Aus sieben Euro pro Flasche waren 13,90 bzw. 14,90 Euro geworden. Auf der Rechnung standen 93,30 Euro.

In diesen 93,30 Euro enthalten waren allerdings 6,90 Euro „Anteilige Frachtpauschale“. Was jede Flasche zusätzlich um mehr als einen Euro verteuerte. Doch dafür stand in den mitgelieferten Bestellbedingungen: „Bei Bestellungen bis zu 23 Flaschen berechnen wir nur € 6,90 pro Lieferung.“ Mit anderen Worten: Je mehr Flaschen bestellt werden, desto stärker reduziert sich der Transportanteil pro Flasche (solange es unter 24 bleiben!).

Allerdings – da steckt der Teufel auch hier wieder im Detail: In jedem Karton befinden sich normalerweise sechs Flaschen. Wer vier Kartons bestellt, bekommt 24 Flaschen geliefert. Hoppla! Ab der 24. Flasche gibt es aber schon wieder ganz andere Lieferkonditionen! Wie die aussehen, erfährt der Kunde jedoch vermutlich erst mit der Lieferung seiner Ware.

Doch was sind schon ein paar Euro für den Alkohol und dessen Transport! Das eigentliche Geschäft des Wein- und Sektvertrieblers offenbaren demjenigen, der sie lesbar zu machen versteht (wir nutzten dazu die professionellen Fähigkeiten des Kopierzentrums Hettstedt), die auf der Rückseite eines Zettels mitgelieferten „Bestellinformationen“. In winziger, blasser Schrift ist inmitten eines großen Bla-Bla Folgendes zu lesen: „Name und Anschrift des Bestellers sowie die Angaben zu den bestellten Artikeln werden von … Lieferfirma … zur Analyse für Werbezwecke sowie zur schriftlichen Information über weitere Angebote von … Lieferfirma … und anderen Unternehmen verwendet (Werbung). Zudem übermitteln wir Name und Anschrift und sonstige gemäß … zulässige Daten …“ (jetzt folgen die Namen mehrerer weiterer Firmen, teils mit ausländisch klingenden Namen).

Sie sind immer noch nicht besoffen, liebe Leser(innen)! Sie haben soeben erfahren, dass hier eine Rentnerin von einer Anzeige in einer kostenlosen Fernsehzeitung, die ihrer nicht kostenlosen Tageszeitung einmal wöchentlich beiliegt, verlockt worden ist, sich (angeblich) preiswerten Wein für rund sieben Euro die Flasche zu bestellen (sorry: mein Wein kommt aus Deutschland, kostet selten mehr als 3,99 Euro und macht auch nach dem Genuss einer ganzen Flasche keinen schweren Kopf, aber das ist, sorry, ja, wieder eine ganz andere Geschichte). Des Weiteren bekommt die Bestellerin Wein, der das Doppelte kostet wie das im Rahmen einer Werbeaktion Bestellte! Wie eine gewisse Kategorie Händler seit 1990 weiß, verhindert die Scham (oder der Anstand?), dass ein gelernter DDR-Bürger das Bestellte zurückschickt. Mit diesem Nepp nicht genug, wird auch noch die Anschrift der gutgläubigen Bestellerin verhökert! Die Folge: Der Briefkasten dieser Frau wird künftig zugemüllt mit Werbung von Firmen, die vermutlich dieselbe einträgliche Strategie drauf haben wie die Weinhändler aus dem Nicht-Weinanbaugebiet im Norden.

Handelt das hanseatische Unternehmen eigentlich mit Wein oder eher mit Adressen?

Diese Frage stellte sich die Bestellerin natürlich nicht – weil sie die eh kaum lesbaren Lieferbedingungen gar nicht interessierten. Nach Nippen an ihrem Glas und einer heftigen Diskussion über Geschäftspraktiken und leckeren Wein beendete ich unsere gemeinsame Auswertung hanseatischer Händlerpraxis mit einem kleinen verbalen Donnerwetter: „Altes Mädchen, in HH kauft und trinkt man das beste Bier der Welt: Astra, Holsten, Lübzer, Becks. Weißt du, was mich mit unserem Lieblingspreußen Friedrich Wilhelm I. verbindet? Duckstein. Ich trinke es immer zur Eisleber Wiese – er schlürfte es in seinen Tabakrunden. Und du bestellst Wein in HH?“ Wein, klärte ich sie auf, kauft man beim Winzer in Höhnstedt und an der Unstrut oder beim Händler unseres Vertrauens in Sangerhausen, im „Weingeist“ in der Bahnhofstraße. Das weiß man und das tut man doch!

Das „Alte Mädchen“ (übrigens auch eine herrliche Gaststättenbrauerei in den Hamburger Schanzenhöfen) blieb zielorientiert: „Wir reden hier von Wein“, bremste sie meinen Bierappetit und lenkte unsere Aufmerksamkeit wieder auf das unangenehme Thema, indem sie mir den Lieferschein, der ihrer Weinbestellung beilag, mit der Bemerkung zeigte, dass „die Zeiten der Sparsamkeit vorüber“ seien. Dort war zu lesen: „Bitte beachten Sie bei zukünftigen Bestellungen aus unserem Sortiment die Mindestbestellmenge vor 12 Flaschen oder einen Warenwert in Höhe von 100 Euro.“

Frau H.-H. hatte nun endgültig die Nase voll. Sie setzte sich an ihren Computer und schrieb: „Bitte nehmen Sie mich wieder aus Ihrer Bestell-Liste. Ich hatte nicht die Absicht, Großbestellungen aufzugeben. Das war auch nicht aus Ihrem Inserat ersichtlich.“

Das Gläschen Rotwein, das sich mein „altes Mädchen“, Frau H.-H., gestern Abend gönnte (sie trinkt nie mehr, als ihrer Gesundheit zuträglich ist) schmeckte ihr irgendwie nicht mehr nur trocken, sondern im Abgang eine Spur sauer.
Jochen Miche
Autor: jm

Kommentare
Frankledig
31.12.2015, 01.18 Uhr
silvesterwein..
...wer wollte das jetzt wissen? Manchmal denkt man das dem "schreiber" das Thema entgleitet. Sorry! Hoffe es wird nicht gelöscht....
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