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Mi, 21:00 Uhr
15.04.2015

Willkommenskultur, was ist das?

Dieser Frage ging man heute an der Nordhäuser Hochschule nach. Neben dem "was" stand aber auch das "wie" im Fokus. Wie kann eine Willkommenskultur etabliert werden, wessen Aufgabe ist das und was wird eigentlich schon getan...

Der Mensch ist ein kompliziertes Ding, jeder für sich. Wir werden geprägt von unserer Erziehung, unserer Umwelt, von persönlichen Erfahrungen und von Faktoren, die wir als Individuum gar nicht wahrnehmen können oder als gegebene Tatsache hinnehmen. Als Teil unserer Kultur. Die Kultur, sowohl die eigene, wie auch die anderer Völker, befindet sich wie der Mensch selbst im stetigen Wandel. Was vor 20 Jahren galt muss heute nicht mehr stimmen. Wovon man vor 10 Jahren überzeugt war, ist heute hinfällig.

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Wie kann eine Gesellschaft, ein Land, oder im Falle von Nordhausen ein Landkreis, erfoglreich mit soviel Komplexität umgehen, wenn es darum geht Einheimische und Zuwanderer miteinander in Einklang zu bringen? Wer steht in der Verantwortung und wie kann Interkulturelle Öffnung aussehen?

Mit diesen und anderen Fragen beschäftigte man sich heute an der Nordhäuser Hochschule im Rahmen der Veranstaltung "Was geht mich Europa an?", die vom Europa-Service Nordthüringen, dem Jugendsozialwerk, dem Welcome Centre Thuringia und natürlich der Hochschule selbst organisiert wurde.

Neben Workshops rund um Arbeit und Ausbildung in Europa ging es vor allem darum, wie man mit Menschen umgeht, die aus dem Ausland nach Nordhausen kommen, seien sie nun Flüchtlinge oder Facharbeiter. Die grundsätzliche Frage nach der Notwendigkeit von Zuwanderung musste den rund 80 Teilnehmern nicht gestellt werden - die Menschen werden kommen, sei es nun weil die Konflikte auf der Welt und mit ihnen die Flüchtlingsströme zunehmen, oder weil der Wirtschaft der qualifizierte Nachwuchs wegbricht.

Nach einem erhellenden Impulsreferat von Dr. Marion Dathe, ihres Zeichens Expertin in Interkultureller Beratung und Geschäftsführerin des Vereins Interculture, diskutierten die Organisatoren. Ines Gast vertrat das Jugendsozialwerk, das sich seit Jahren europäischer Austauschprogramme bedient und internationale Freiwillige in fast allen Einrichtungen einsetzt. Thomas Hoffmann sprach als Leiter des Referats für Internationales für die Hochschule, die Dank des Studienkollegs viele junge Menschen aus aller Welt nach Nordhausen bringt. Stephanie Kespohl sprach als Leiterin des Europa Service.

Mit ihrem Team vermittelt sie unter anderem Fachkräfte, Praktikanten und Auszubildende aus dem Europäischen Ausland an Unternehmen in der Region und betreut sowohl die Unternehmen wie auch die Gäste während ihres Aufenthalts. Das Welcome Center Thuringia versteht sich als erste Anlaufstelle für Migration und Integration im Freistaat. Covadonga Gonzáles Pujol forderte, das man mit Menschen mit Migrationshintergrund sprechen müsse, anstatt nur über sie. Schließlich, als Gast, sprach Oliver Wönnmann, Geschäftsführer von Feuer Powertrain, aus der Sicht der Wirtschaft.

"Was geht mich Europa an?" - es diskutierten v.r.: Oliver Wönnmann, Ines Gast, Stephanie Kespohl, Moderatorin Jessica Pieper, Thomas Hoffmann und Covadonga Gonzales Pujol (Foto: Angelo Glashagel) "Was geht mich Europa an?" - es diskutierten v.r.: Oliver Wönnmann, Ines Gast, Stephanie Kespohl, Moderatorin Jessica Pieper, Thomas Hoffmann und Covadonga Gonzales Pujol (Foto: Angelo Glashagel)

Es gebe kaum noch Arbeitsfelder, sagte Hoffmann, in denen Auslandserfahrungen nicht gebraucht werden. Viele mittelständische Unternehmen, auch in der Region, seien International tätig und würden bei Bewerbern nicht nur auf Sprachkenntnisse achten, sondern auch auf Interkulturelle Kompetenzen.

Das kann Wönnmann bestätigen. Nur seien die Auslandsaufenthalte, die im Hochschulbereich dazugehören, im dualen Ausbildungssystem noch eher selten. Bei Feuer würde man die Internationalisierung inzwischen leben, so Wönnmann.

Als man vor 13 Jahren in Nordhausen begann, war die Mitarbeiteranwerbung für Feuer noch sekundär, berichtet er, seit 2012 versuche das Unternehmen auch im Ausland Fachkräfte zu gewinnen, weil der heimische Markt den Bedarf nicht mehr decken könne. Inzwischen hat man 40 Familien aus Ungarn nach Nordhausen geholt, berichtet der Geschäftsführer. Für das neue Werk der Firma im amerikanischen Tucson bildet man in Nordhausen derzeit schon einmal die US-Amerikanischen Mitarbeiter an den Maschinen aus, "Training on the Job" nennt sich das.

Man müsste aber auch die eigenen Mitarbeiter bei so einem Prozess mitnehmen und das ganze entsprechend kommunizieren.

Ähnliches wird aus dem Podium berichtet. Die existierende Belegschaft der kleinen und mittleren Unternehmen vor Ort sei oft "noch nicht soweit", müsse für die Notwendigkeit des Themas erst sensibilisiert werden. Das greift ein grundsätzliches Problem auf: wie kann man die einheimische Bevölkerung darauf vorbereiten, das mehr Menschen aus dem Ausland zu uns kommen werden? Wie kann man den Prozess für alle Beteiligten möglichst Reibungs- und Konfliktfrei gestalten.

Gute Zusammenarbeit im Betrieb alleine reiche nicht, es müsse auch Wege geben, die Menschen in den Restalltag mit einzubinden. Hier gebe es in Städten wie Nordhausen auch von Seiten der Verwaltung noch erheblichen Nachholbedarf, zum Beispiel beim Zugang zu öffentlichen Stellen. Wer eine Zulassung für sein Auto erhalten will, der muss Deutsch können, den in anderen Sprachen, Englisch oder Spanisch sind entsprechende Informationen nicht verfügbar.

Einige Möglichkeiten das eigene Blickfeld zu erweitern und den Zugang zur einheimischen Gesellschaft zu erleichtern gibt es bereits. Etwa den deutsch-englischen Stammtisch des ESN, der Deutsche und Zuwanderer in ungezwungenem Rahmen zusammenbringen will oder Seminare zur Interkulturellen Öffnung für Verwaltungen und Unternehmen. Oder eben durch Auslandsaufenthalte auch für Azubis. Denn der Kontakt im Ausland fördert nicht nur den Spracherwerb, sondern erweitert auch den eigenen Horizont mehr, als wenn man nur über andere Kulturen spricht, anstatt sie selbst zu erleben.

In der Pflicht für ein Konfliktfreies Zusammenleben stehen letztlich alle Beteiligten: die Unternehmen, die Fachkräfte wollen, die Vereine, die das Wissen haben um in Integrationsfragen helfen zu können und jeder Einzelne, sowohl Einheimische wie Zuwanderer, in dem Sinne als das man lernen muss, sich aufeinander einzulassen.

Die Rahmenbedingungen, gerade im Umgang mit Flüchtlingen, muss aber die Politik setzen. Und die kam später zu Wort, in der Diskussion der Landratskandidaten. Die sollte zeigen, das es an politischem Willen nicht mangelt, dafür aber an anderer Stelle Nachholbedarf besteht.
Angelo Glashagel
Autor: red

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