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Di, 06:53 Uhr
22.07.2014

Forum: Opfer erster und zweiter Klasse?

Eigentlich findet die große Politik nur selten einen Platz in den Nordthüringer Online-Zeitungen. Aber auch ein konservatives Provinzstädtchen wie Nordhausen ist Teil des großen Weltgetriebes, was vor allem auf ökologischem Gebiet allzu gern übersehen wird. Ein Beitrag im Forum...


Aber in meinem Beitrag geht es heute mehr um die Opfer politischer Gewalt erster und zweiter Klasse. Und hier stößt mir das gegenwärtige Verhalten der USA und ihrer Verbündeten sauer auf. Erlauben Sie mir bitte, einen weiten Bogen zu spannen: Die USA nehmen die Russen „in die Pflicht“ und werfen Ihnen im Zusammenhang mit den prorussischen Separatisten den Abschuss des Fluges MH 17 mit 298 unschuldigen Opfern über der Ost-Ukraine vor.

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Sie und auch viele andere Länder, die europäischen eingeschlossen, verurteilen den bislang nicht eindeutig bewiesenen Abschuss, zeigen aber dennoch mit dem Finger auf die ostukrainischen Separatisten und natürlich auf Putin. Noch nicht einmal der Flugschreiber befindet sich offensichtlich zur Auswertung in der Hand unabhängiger Experten.

Beim unpolitischen Absturz des Air-France-Fluges AF 447 im Jahre 2009 über dem Atlantik wartete man mehrere Jahre mit der Benennung von Schuldigen – bis zum sicheren und unzweifelhaften Beweis. Obama, Merkel & Co aber bemühen sich nicht einmal, ihre „Haltet den Dieb-Politik“ ein wenig zu verschleiern und dem Durchschnitts-Wahlbürger aufzutischen: Durchschnitts-Wahlbürger deswegen, weil dieser wohl längst vergessen hat, dass sowohl die USA, als auch die Ukraine noch vor gar nicht allzu langer Zeit selbst Passagiermaschinen mit hunderten unschuldigen Menschen an Bord zerstörten – daher also „Haltet den Dieb-Politik“:

IRAN-Air Flug 655 mit 290 Menschen wurde am 3. Juli 1988 vom US-Kriegsschiff Vincennes über dem Persischen Golf abgeschossen. Dafür zahlt das Land der unbegrenzten Möglichkeiten bis heute an die Angehörigen.

Und auch die immer wieder zu lesende Behauptung, die Ukraine verfüge nicht über technische Möglichkeiten, um eine Maschine in 10.000 Metern Höhe abzuschießen, dürfte in erster Linie für den weniger kritischen Fernsehzuschauer bestimmt und den Grimmschen Märchen entnommen worden sein: Es war der 4. Oktober 2001, als die ukrainische Armee ausgerechnet eine russische Verkehrsmaschine mit 78 Menschen an Bord unter Einsatz einer Boden-Luft-Rakete vom Himmel fegte. Sibir 1812 wurde Opfer einer ukrainischen Militärübung.

Ihre Schuld gestand die Ukraine angesichts erdrückender Beweise seinerzeit sogar ein. Doch darüber schreibt in diesen Tagen kaum eine Zeitung, geschweige denn, dass dies europäische oder US-Politiker zu bedenken geben.

Die Herangehensweise der US-, der deutschen und europäischen Politik an den menschenverachtenden, aber eben nur anzunehmenden Abschuss über der Ost-Ukraine, schlachtet die 298 ums Leben gekommenen Menschen politisch gegen die Russen aus, ohne an das eigene Fehlverhalten bzw. jenes von Verbündeten in früheren Zeiten zu erinnern und die daraus resultierenden Opfer auch nur zu erwähnen.

Das ist respektlos gegenüber den vom eigenen System verschuldeten Toten sowie deren Angehörigen, das ist eine Einteilung der Flugzeugtoten in Menschen erster und zweiter Klasse.
Was leider für sie gilt, gilt umso mehr für die unmittelbaren Opfer von Krieg und Gewalt: Während die US-Armee mit ihren Drohnen seit Jahren islamistische Terroristen „neutralisiert“ und dies, ungeachtet der vielen zivilen „Kollateralschäden“, wer kann es immer nachprüfen, als friedensstiftend propagiert, unterschlägt sie die tausenden Toten der Golf-Kriege, die letztlich auf der heute zweifelsfrei bewiesenen, teils selbst zugegebenen Lüge beruhen, der keinen Deut bessere Diktator Hussein hätte Chemiewaffen gehortet.

Kein Verantwortlicher aus den USA oder dem Vereinigten Königreich wurde hierfür, für die Schrecken des Vietnamkrieges und viele andere Kriege je zur Verantwortung gezogen. Wie gesagt: Auch das Weglassen, das Unterschlagen von Gewaltopfern, und da schließe ich die Haltung der CDU-geführten deutschen Regierung ein, führt zur Einteilung von Menschen erster und zweiter Klasse, in die Abwertung jener Opfer und Handlungen, die die Verbündeten „auslösten“ und zur Aufwertung jener, die sich politisch, z.B. gegen Putin ausschlachten lassen.

Auf diesem Gebiet hat sich trotz Wende prinzipiell offenbar nichts geändert, trotz des Menschlichkeit verheißenden „C“ in CDU, trotz vielfacher Menschlichkeitsbekundungen, ja, und auch angesichts der vielen früheren DDR-Bürgerrechtler, die bis hin zum Bundespräsidenten Gauck noch heute gut bezahlte Jobs in der deutschen Politik bekleiden. Die Einteilung in gute und schlechte Opfer kannte ich aus der DDR nur zu gut.

Der Systemwechsel und das Ende des Kalten Krieges haben in dieser Welt keinesfalls zu mehr Menschlichkeit und zu einer Abkehr von dieser Zweiteilung geführt, wenn man genau hinschaut. Auch wenn dies von den heutigen Machthabern stets und gern behauptet wird. Unzählige Fakten sprechen dagegen.

Nicht jeder Mitmensch, der den Überfall Israels auf den Gaza-Streifen kritisiert und damit wiederum das Töten hunderter unschuldiger Kinder, Frauen und Männer , darf daher zum Beispiel als Antisemit verurteilt werden. Dass sich selbst im demokratischen Israel Journalisten nicht mehr sicher fühlen können, wenn sie das militärische Vorgehen des eigenen Landes kritisieren (der mdr berichtete darüber), sollte uns vor dem Hintergrund des zuvor Geschriebenen zu denken geben.

Abschließend noch einmal zum Absturz des Fluges MH 17: Ausgerechnet aus den Niederlanden übrigens, aus denen eine große Zahl der Absturzopfer stammt, war zu hören, dass man doch die Opfer von MH 17 bitte erst bergen und dann strafen solle. Ich bezweifle, dass dies Frau Merkel, Obama und andere Vertreter der bürgerlichen Menschlichkeit vernommen haben.
Bodo Schwarzberg

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Autor: red

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Kommentare
Leser X
31.07.2014, 11.12 Uhr
Richtig Herr Schwarzberg
Ich teile Ihre Meinung und möchte gerade aus aktuellem Anlass (Zuspitzung in Gaza) auch meinerseits hinzufügen, dass die im wesentlichen ausbleibenden Reaktionen auch aus Deutschland im Hinblick auf die verheerenden Kriegsverbrechens Israels beschämend sind.

Israel hat nicht das Recht seine Toten aus der Nazibarbarei als Deckmantel zu benutzen, ihrerseits ein ganzes Volk auf engen Raum einzusperren und jeglicher Zukunft zu berauben. Was sonst als Haß soll denn unter solchen Lebensumständen gedeihen?

Es wird Zeit, dass sich unsere Politiker von ihrer innerlichen Verklemmung lösen und lautstark nach Frieden rufen.

Schwerter zu Pflugscharen, Herr Gauck!

Gerald Schütze
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