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Mi, 11:15 Uhr
02.04.2014

Immer mehr Pflege neben Beruf

Allen Bürgern Zugang zu einem guten und bezahlbaren Gesundheitssystem zu verschaffen, wird die Politik angesichts des demografischen Wandels in Zukunft vor immer größere Herausforderungen stellen...


Dabei machen Informationsasymmetrien, unvollständiger Wettbewerb und Eintrittsbarrieren staatliche Eingriffe wie Preisregulierungen, Patentschutz oder Pflichtversicherungen notwendig, deren Auswirkungen intensiv analysiert und evaluiert werden müssen.

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Der neue Wochenbericht des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) macht deutlich, dass das DIW Berlin sich künftig intensiver mit Fragen der Gesundheitsforschung (Gesundheitsökonomie und „Public Health“) beschäftigen wird. Der Wochenbericht bündelt in seiner neuesten Ausgabe drei Analysen zur Gesundheitsforschung, denen ein Editorial vorangestellt ist.

In den nächsten Ausgaben des Wochenberichtes werden weitere gesundheitsökonomische Analysen folgen. Wie stark die Versorgung pflegebedürftiger Menschen in Deutschland auf der informellen Betreuung durch Angehörige und Bekannte beruht, zeigen Johannes Geyer und Erika Schulz in ihrem Bericht auf Basis des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP).

Ein Großteil der Pflege lastet demzufolge auf Personen im erwerbsfähigen Alter: 2,5 Millionen von insgesamt vier Millionen informell Pflegeleistenden waren im Jahr 2012 zwischen 16 und 64 Jahre alt – Tendenz steigend. Dass sich die Anzahl der gesetzlich Krankenversicherten, die über eine private Zusatzversicherung verfügen, seit dem Jahr 2000 auf rund 13 Millionen verdoppelt hat, stellt Markus Grabka im zweiten Bericht fest. Mit Hilfe des SOEP liefert er zudem Informationen darüber, welche Personen solche Zusatzversicherungen abschließen: Es sind vor allem Menschen mit überdurchschnittlichem Einkommen und einem höheren Bildungsabschluss, meist verfügen sie auch über einen guten Gesundheitszustand. Hannes Ullrich zeigt im dritten Bericht am Beispiel Dänemarks, wie stark eine marktorientierte Regulierung von verschreibungspflichtigen Medikamenten zu deutlichen Ersparnissen für Konsumenten und das Gesundheitssystem führen kann.

„Informelle Pflege“ durch Verwandte und Bekannte

Das deutsche Pflegesystem ist in erheblichem Maße abhängig von Menschen, die sich um pflegebedürftige Angehörige oder Freunde kümmern. Solch informelle Pflegetätigkeiten erbringen zwischen fünf und sechs Prozent aller Erwachsenen in Deutschland, wie Berechnungen des DIW Berlin auf Grundlage von Daten des SOEP für die Jahre 2001 bis 2012 ergeben. Rund 60 Prozent davon sind im erwerbsfähigen Alter.

Der Anteil der Erwerbstätigen an den informell Pflegenden ist gestiegen, von knapp 53 auf fast 66 Prozent. „Da die Zahl der Pflegebedürftigen angesichts der alternden Bevölkerung weiter zunehmen dürfte, kommen auf pflegende Personen im erwerbsfähigen Alter immer mehr Pflegetätigkeiten zu“, schreiben die Studienautoren Johannes Geyer und Erika Schulz. „Gleichzeitig sollen sie durch eine höhere Erwerbsbeteiligung und mehr Arbeitsstunden auch den Rückgang der Erwerbsbevölkerung infolge des demografischen Wandels abmildern. Die Frage nach der Vereinbarkeit von Pflege und Beruf wird also massiv an Bedeutung gewinnen.“

Bereits im Jahr 2012 leisteten vier Prozent der Männer und sieben Prozent der Frauen im Alter zwischen 16 und 64 Jahren mindestens eine Stunde pro Werktag informelle Pflege. In den älteren Erwerbsjahren lagen die Anteile noch deutlich höher. Vollzeitbeschäftigte pflegten im Jahr 2012 zu einem geringeren Anteil (vier Prozent) als Teilzeit- und geringfügig Beschäftigte (je etwa 8 Prozent) – gestiegen ist er gegenüber 2001 aber in allen drei Gruppen. Fast 28 Prozent der erwerbsfähigen Pflegeleistenden kümmerten sich 2012 jeden Tag drei oder mehr Stunden um Bedürftige.

Die SOEP-Daten zeigen zudem, dass eine Pflegetätigkeit die allgemeine Lebenszufriedenheit und auch die Zufriedenheit mit der sozialen Sicherung verringert. Einen Zusammenhang mit der Kombination von Pflege und Beruf konnten die DIW-Forscher gleichwohl nicht finden. Dennoch sollte die Politik die Vereinbarkeit verbessern und die Sichtbarkeit bestehender Leistungen erhöhen, fordern Geyer und Schulz. Das Pflegezeitgesetz oder die Familienpflegezeit würden bisher kaum genutzt und seien vielen pflegenden Angehörigen unbekannt.

Immer mehr gesetzlich Krankenversicherte schließen eine private Zusatzversicherung ab: Verfügten nach den Daten des SOEP im Jahr 2000 knapp 10 Prozent der Versicherten über eine private Zusatzversicherung, so waren es 2012 fast 22 Prozent oder rund 13 Millionen Menschen. Etwa 17 Prozent aller gesetzlich Krankenversicherten verfügten über eine Zusatzversicherung für Leistungen beim Zahnersatz, knapp elf Prozent schlossen Zusatzversicherungen für Krankenhausbehandlungen ab, etwa neun Prozent sicherten sich zusätzlich im Bereich Heil- und Hilfsmittel ab. In etwa verdoppelt hat sich auch der Anteil der erwachsenen gesetzlich Krankenversicherten mit einer Auslandskrankenversicherung (auf knapp 8 Prozent).

Besonders häufig werden die privaten Zusatzversicherungen von Frauen, Personen mittleren Alters, mit Fachhochschul- oder Universitätsabschluss und überdurchschnittlichen Einkommen abgeschlossen. Auch verfügen sie häufiger über einen guten oder sehr guten Gesundheitszustand. „Angesichts der starken Zunahme von privaten Zusatzversicherungen stellt sich die Frage, ob dies langfristig zu Versorgungsdefiziten führen kann, da die Verbreitung der Zusatzversicherung offensichtlich mit der Höhe des Haushaltseinkommens korreliert“, warnt Markus Grabka.

Dänemark zeigt, wie es geht

Ein bewährtes Mittel zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen sind Patientenzuzahlungen für verschreibungspflichtige Medikamente. Doch wie sieht die optimale Zuzahlungsregulierung aus? Dänemark reformierte im Jahr 2005 sein System nach Marktkriterien. Kernpunkt der Reform war ein einfach umzusetzendes inländisches Preisreferenzierungssystem. Im Ergebnis fielen die Abgabepreise für Generika im Schnitt um 36 Prozent, die Preise für die Originalpräparate dagegen nur um zwei Prozent. Für den Patienten in der Apotheke wurden also die Originalpräparate sehr viel teurer, und die Nachfrage nach Generika stieg entsprechend.

Die gesamten Gesundheitskosten konnten dadurch um jährlich etwa zehn Prozent gesenkt werden, die Patienten sparen seither umgerechnet etwa eine Million Euro pro Jahr an Zuzahlungen ein. „Das dänische Zuzahlungssystem könnte ein Vorbild sein“, sagt DIW-Wettbewerbsexperte Hannes Ullrich. „Es zeigt, wie bereits kleine Veränderungen sowohl den Preiswettbewerb zwischen den Pharma-Unternehmen als auch das Preisbewusstsein der Patienten erhöhen können.“

Der Erfolg der dänischen Reform lässt vermuten, dass eine Vereinfachung der in Deutschland herrschenden komplizierten Zuzahlungsregelung und eine Ausweitung auf alle Medikamente den Patienten auch hierzulande starke Anreize bieten würden, teure Originalpräparate durch preisgünstigere Generika zu ersetzen.
Autor: red

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